Kühne, Alexander: Chaos um die Sprecher des 118. US-Repräsentantenhauses: gelähmte Republikaner vor dem „executive takeover“?
Der Sprecher des Repräsentantenhauses nimmt eine Schlüsselrolle im politischen System der USA ein; seine Entscheidungen und sein Führungsstil haben weitreichende Auswirkungen auf die nationale Politik. Doch Konflikte innerhalb der Republikanischen Partei haben in den letzten Jahren dieses Amt beschädigt. So wurde in der 118. Legislaturperiode (2023 bis 2025) mit dem Republikaner Kevin McCarthy erstmalig ein Sprecher abgewählt („motion to vacate“) – gestürzt von einer kleinen Gruppe Abgeordneter aus der eigenen Partei. Anlass war ein fraktionsübergreifender Kompromiss zu einem Übergangshaushalt mit den Abgeordneten der Demokraten. Republikaner um den Abgeordneten Matt Gaetz lehnten jegliche Konzessionen ab, verlangten harte Sparmaßnahmen und ein Ende der Ukraine-Hilfe in der bisherigen Form. Erhebliche Differenzen innerhalb der Republikanischen Fraktion erschwerten auch die Wahl von McCarthys Nachfolger, Mike Johnson. Die Geschehnisse verdeutlichen nicht nur die Abhängigkeit von Donald Trump, sondern auch die zunehmende Polarisierung innerhalb der Republikanischen Fraktion sowie die Schwierigkeit, tragfähige über- und innerparteiliche Kompromisse zu finden. Zugleich spiegelt sich darin die Schwäche des Partei-Establishments und seine Angst vor der eigenen Entmachtung – sich gegen Trump zu stellen, bedeutet finanzielle Einbußen in der Wahlkampfunterstützung und der mögliche Verlust von Spitzenämtern. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 269 – 292]
Kolkmann, Michael: Knapper Republikanischer Sieg auf Capitol Hill: Die Wahlen zum US-Kongress vom 5. November 2024.
In den US-Wahlen des Jahres wurde nicht nur ein neuer Präsident, sondern auch das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein Drittel des Senats gewählt. Konnten die Republikaner im Repräsentantenhaus ihre Mehrheit knapp behaupten, gelang es ihnen im US-Senat, die Demokraten als Mehrheitspartei abzulösen. Damit stehen das Weiße Haus als Exekutivgewalt und beide Kammern des Kongresses als Legislativgewalt im Sinne eines „Unified Government“ unter der Führung der Republikanischen Partei. Der Beitrag schildert die Ausgangsbasis für die Wahlen, beleuchtet die wichtigsten Motive der Wähler für ihre Wahlentscheidung und stellt die wichtigsten Ergebnisse im Detail vor. Zudem wird ausführlich auf das Verhältnis von Exekutive und Legislative im System der US-amerikanischen „Checks and Balances“ eingegangen und gefragt, was angesichts dieser machtpolitischen Konstellation für die Zeit bis zur nächsten Zwischenwahl im November 2026 zu erwarten ist. Die personelle Aufstellung der beiden Parteien im Kongress ist ebenso Thema wie längerfristige Trends, was die Zusammensetzung der beiden Kammern des US-amerikanischen Parlaments anbetrifft. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 293 – 311]
Lammert, Christian: Die US-Präsidentschaftswahl vom 5. November 2024: Triumph des Populismus in einer polarisierten Nation.
Die US-Präsidentschaftswahl 2024 markierte einen historischen Wendepunkt: Donald Trump gelang als erstem Präsidenten seit Grover Cleveland die Rückkehr ins Weiße Haus nach einer Wahlniederlage. Mit 312 zu 226 Wahlleuten und 49,8 Prozent der Stimmen setzte er sich gegen Kamala Harris durch, deren Kandidatur nach dem Rückzug von Joe Biden kurzfristig erfolgte. Die Wahl war geprägt von extremer gesellschaftlicher Polarisierung, wirtschaftlicher Unsicherheit und identitätspolitischen Konflikten. Trumps Kampagne setzte auf autoritäre Rhetorik, wirtschaftlichen Populismus und eine harte Einwanderungspolitik, während Harrisauf soziale Gerechtigkeit und demokratische Werte fokussierte. Entscheidend für Trumps Sieg waren Zugewinne bei Arbeiterklasse- und Latino-Wählern sowie die Wahrnehmung wirtschaftlicher Kompetenz. Die Wahl vertiefte die gesellschaftlichen Spaltungen und leitete eine Phase tiefgreifender politischer und institutioneller Veränderungen in den USA ein. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 312 – 331]
Stienen, Daniel Benedikt: „Project 18“. Die Wahlalterdebatte in den USA und der Bundesrepublik Deutschland im transnationalen Vergleich (1965 bis 1972).
In den Jahren um 1970 wurde in zahlreichen Ländern der westlichen Welt das aktive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt. Bisherige Untersuchungen zur Wahlaltersabsenkung jener Jahre beschränkten sich indes auf einen nationalen Analyserahmen und blendeten die internationale Entwicklung aus. Der vorliegende Beitrag vergleicht am Beispiel der USA und der Bundesrepublik Deutschland die politische Debatte und den Gesetzgebungsprozess. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich (1) die ausgetauschten Pro- und Contra-Argumente glichen, (2) Wahlalterabsenkungen in Gliedstaaten beider föderaler Systeme auf die Bundesebene ausstrahlten, vor allem jedoch (3) der überparteiliche Konsens in beiden Staaten zentraler Faktor für die Umsetzung der Reform war. Dagegen kann der internationalen Entwicklung kein positiver Einfluss zugeschrieben werden. Um das nationalstaatliche Grenzen überschreitende Phänomen der Wahlalterherabsetzung um 1970 in seiner Gänze zu erfassen, sind allerdings weitere Vergleichsuntersuchungen notwendig. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 332 – 349]
Adorf, Philipp: Die Republikanische Partei im Bann Donald Trumps: zwischen Kontinuität und Wendepunkt?
Mit Donald Trumps Wahlsieg 2024 hat sich sein nationalistischer Populismus endgültig als ideologische und organisatorische Leitlinie der Republikanischen Partei etabliert: Kritiker sind ausgeschaltet, der Kongress ist loyal und mit JD Vance steht ein ethnonationalistisch geprägter Nachfolger bereit. Die Partei präsentiert sich geschlossener und radikalisierter, jedoch aber zugleich auch offener für neue Wählerschichten. Insbesondere bei Latinos und schwarzen Männern ohne Hochschulabschluss erzielte Trumpüberraschende Zugewinne. Möglich wurde dies durch eine Kombination aus ökonomischem Nationalismus, migrationskritischer Rhetorik und kulturellem Konservatismus. Gleichzeitig wurde die republikanische Agenda durch das Projekt 2025 strategisch vorbereitet. Die Blaupause für den Umbau des Staates und die Schwächung liberaler Institutionen wurde von Trump in seinen ersten Monaten im Amt bereits extensiv umgesetzt. Der Trumpismus ist damit zur prägenden Struktur der Partei geworden. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 350 – 372]
Bitschnau, Marco: The Great Transformator: Donald Trump und die demographische Diversifizierung der Republikanischen Partei.
Donald Trump hat bei den Präsidentschaftswahlen 2024 nicht nur einen überzeugenden Sieg errungen, sondern in besonderem Maße auch Gruppen abseits des Republikanischen Kernelektorats für sich einnehmen können. Der Beitrag diskutiert diese Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Latinos und stellt fest, dass Trumps Unnachgiebigkeit in der Einwanderungsfrage ihm auch hier nicht zum Nachteil gereicht haben dürfte. Auf der Makroebene wiederum ist die neue republikanische Anziehungskraft eingebettet in eine kulturelle Transformation der Partei, die immer deutlichere Züge einer säkularisierten und in hohem Maße personalisierten Arbeiterschutzmacht entwickelt; freilich ohne, dass den einzelnen Ideologieversatzstücke dabei ein genuiner Neuigkeitswert zukommt. Zuletzt geht der Beitrag auf die Dauerhaftigkeit dieser Verschiebung ein, die nicht frei von Brüchen und Widersprüchen ist. Entscheidend erscheint hier vor allem die Frage, ob der jüngste Erfolg vorrangig an die Person Trumps gebunden ist oder diese lediglich als Katalysator für sich wandelnde Präferenzstrukturen und Wählbarkeitserwägungen zu betrachten ist. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 373 – 386]
Langenbacher, Eric: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen in der zweiten Trump-Präsidentschaft.
Die zweite Trump-Administration erweist sich als turbulent für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Die erratische US-Politik in den Bereichen Handel, Zölle, Steuern, Verteidigung sowie in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die transatlantischen Beziehungen nach der Wiederbelebung in der Biden-Amtszeit bereits geschwächt. Es wird eine Herausforderung sein, die Auswirkungen von vier Jahren Chaos zu minimieren, aber es gibt erste Signale, dass Bundeskanzler Friedrich Merz gute Beziehungen zu Präsident Donald Trump entwickelt. Obwohl die deutsche Seite erfahrene Diplomaten und politische Entscheidungsträger eingesetzt hat, gibt es im Umfeld von Trump unbequeme Figuren wie Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio, die die US-Politik beeinflussen könnten. Die Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben und das dichte Netz an staatlichen, zivilgesellschaftlichen und unternehmerischen Verbindungen über den Atlantik hinweg sollten mildernde Faktoren sein, aber die einzige Konstante wird Trumps Unberechenbarkeit sein. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 387 – 404]
Yun, Jeong-In: Herausforderungen und Reaktionen des südkoreanischen Parlaments auf den Staatsstreich des Präsidenten.
Inmitten einer Verfassungskrise, die durch den Selbstputschversuch des amtierenden Präsidenten – Missbrauch des Kriegsrechts und Mobilisierung militärischer Truppen – im Dezember 2024 ausgelöst wurde, spielte das koreanische Parlament, die Nationalversammlung, eine Schlüsselrolle bei der raschen Bewältigung der unmittelbaren Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung, aber auch bei der Bewältigung der Vorfälle nach den gesetzlichen Verfahren innerhalb des institutionellen Rahmens seiner verfassungsmäßigen Befugnisse und Funktionen. In diesem Prozess wurden die Bemühungen des koreanischen Parlaments durch Interaktionen innerhalb und außerhalb des Parlaments herausgefordert. Trotz anhaltender Behinderungen durch die Regierungspartei innerhalb des Parlaments und die bestehende Regierung außerhalb des Parlaments ermöglichte das von der Opposition geführte Parlament die notwendigen Maßnahmen, einschließlich der Resolution zur Aufhebung des Kriegsrechts, der Suspendierung und Amtsenthebung des Präsidenten, der parlamentarischen Untersuchungen und Anhörungen sowie der Gesetzgebung für die Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft. Dies zeigt, dass in einer Präsidialdemokratie selbst die verheerendste, vom Präsidenten ausgelöste Krise durch den verfassungsmäßigen Prozess überwunden werden kann, wenn das Parlament sich den demokratischen Grundsätzen und dem verfassungsmäßigen Auftrag verpflichtet fühlt. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 405 – 417]
Oberreuter, Heinrich: Plebiszitäre Entmachtung des Plebiszitären. Wahlen und Abstimmungen im Nationalsozialismus.
Gemeinsam mit dem Verbot politischer Parteien und der Destruktion des Parlamentarismus verwandelte der Nationalsozialismus den Volksentscheid vorgeblich zur Stärkung des Volkes in ein Instrument der Zustimmungsdemokratie ohne Diskussions-, Initiativ- oder Entscheidungschance: ein symbolischer Akt inszenierter Legitimierung der Politik des von der Vorsehung bestimmten Führers und des Nachweises der Identität zwischen ihm und der rassistisch gegründeten Volksgemeinschaft. Alternativlose Wahlen kam die gleiche Funktion zu: plebiszitäre Selbstbestätigung und Selbstinszenierung, wohlkontrollierte „Feiertage der Volksgemeinschaft“, Nachweis geschlossener „Einheit vor der Welt“, besonders auch als Legitimationsbeweis zum Bruch internationaler Verträge. Dem dienten manipulierte Verfahren wie die Verfolgung sich verschließender „Volksverräter“. Anders als nach der Vollendung des Totalitarismus war während der Phase seiner Stabilisierung die den Führer sakralisierende Einheit noch anfällig. Die ihr dienen sollenden pseudoplebiszitären Instrumente verloren ihre Attraktivität, mit der Vollendung des Totalitarismus ihre Notwendigkeit, nicht aber ihre (selten eingesetzte) Dienlichkeit zu propagandistischer Mobilisierung emotionaler Themen. Auf der Makroebene zeigt sich weithin konformes Abstimmungsverhalten, soziologisch geprägte Differenzierung dagegen zwischen den Gauen und im lokalen Bereich. Doch „Verführung und Gewalt“ (Ulrich Thamer) sicherten breite Zustimmung zum Regime. [ZParl, 56. Jg. (2025), H. 2, S. 449 – 460]