Abstracts 1/1997 deutsch

Naundorf, Christian: Die Sitzverteilung nach §§ 6 und 7 Bundeswahlgesetz. Beispielrechungen für den 13. Deutschen Bundestag.
In früheren Beiträgen der ZParl (unter anderem in H. 3 /96) wurde die Ansicht vorgestellt und begründet, daß nach dem Gesetzeswortlaut die Anrechnung von Direktmandaten auf das Zweitstimmergebnis einer Partei nicht notwendig auf Landesebene, sondern auf dem Gebiet der Erstreckung einer Listenverbindung zu geschehen habe. Je nach den von den Landesverbänden der Parteien abgegebenen Erklärungen kann dies ein einzelnes Landesgebiet, das Gebiet von zwei bis fünfzehn Bundesländern oder auch das gesamte Bundesgebiet sein. Zur Illustration dieser Berechnungsweise sowie zur Widerlegung einiger hartnäckig vorgebrachter Irrtümer in der Wahlrechtsdiskussion werden verschiedene Rechenmodelle auf die Ergebnisse der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag angewandt und verglichen. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. l, S. 5 ff.]

Jung, Otmar: Die Volksabstimmung über die Länderfusion Berlin – Brandenburg: Was hat sich bewährt – wer ist gescheitert?
Mit der Volksabstimmung über die Fusion von Berlin und Brandenburg war auf der Ebene der Bundesländer in kaum einem Jahr ein weiterer Fall der „Emanzipation von Stammbürgern“ zu registrieren: Die Bürger entschieden sich an den Urnen deutlich anders, als es das politische Establishment wollte. Offensichtlich gehen „die obrigkeitsstaatlichen Zeiten in Deutschland … zu Ende“, in denen die Bürger „einfach absegnen, was ihnen von oben empfohlen wird“. Das nächste Mal ist gegebenenfalls „… anderes Management geboten“. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 13 ff.]

Fascher, Eckhard: Die politischen Erfolgsaussichten der „Republikaner“ in Deutschland.
Der erneute Wahlerfolg der „Republikaner“ in Baden-Württemberg im März 1996 hat gezeigt, daß es ein beachtenswertes, schon verfestigtes Wählerpotential für rechtsextreme Parteien gibt. Es besteht aus Wählern, die von ihrem Werte- und Normensystem her unter anderem die Einwanderung von Ausländern sowie die Frauenemanzipation ablehnen und sich nach einer traditionellen Gesellschaft zurücksehnen. Aufgrund ihrer ideologischen Nähe zu diesen Wählern sowie ihrer gleichzeitig diffusen Pseudo-Modernität, ihrer organisatorischen Stärke, ihrer relativen personellen Geschlossenheit gelang es den Republikanern 1996 unter den besonderen Bedingungen in Baden-Württemberg erneut (wie schon 1992), diese Wählergruppen anzusprechen. In anderen Bundesländern war dies nach 1993 nicht mehr möglich. Die dort zu verzeichnenden Stagnationen beziehungsweise sogar Einbußen sind wesentlich nur mit weniger überzeugendem Führungspersonal zu erklären. Insofern ist „Entwarnung“ nicht angebracht. [ZParl, 28. Jg., 1997, H.1, S. 21 ff.]

Baddenhausen-Lange, Heike: Die „Question Period“ im kanadischen Unterhaus, die Befragung der Bundesregierung im Deutschen Bundestag und die „Questions au Gouvernement“ in der französischen Nationalversammlung.
Die Befragung der Deutschen Bundesregierung fristet bislang eher ein Schattendasein. Im Rahmen der bestehenden Regelungen könnte sie durchaus attraktiver gestaltet werden. Der Ältestenrat selbst hatte vorgeschlagen, die Regierungsbefragungen in Anlehnung an ihr Pendant im kanadischen Unterhaus umzugestalten. Dort zählen sie unstreitig zu den Höhepunkten der Plenarsitzungen, die hohe Beachtung durch die Medien, insbesondere durch das Fernsehen finden. Entsprechend reagiert das kanadische Unterhaus. Die Fragestunden haben das „standing“ des kanadischen Parlaments gegenüber der Regierung in Ottawa gestärkt. Auch in Paris haben die Medien erheblichen Anteil daran, daß die „questions au gouvernement“ sich in der Französischen Nationalversammlung großen Interesses erfreuen. In Frankreich kommt dieser Fragestunde als einer jungen Institution die wichtige Aufgabe zu, einen gewissen Ausgleich zur ansonsten übermächtigen Rolle der Regierung zu schaffen. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 29 ff.]

Schwarzmeier, Manfred: „To ask the Prime Minister …” Parlamentarische Fragen im britischen Unterhaus.
Als formale Instrumente parlamentarischer Kontrolle haben Fragen im Unterhaus eine lange Tradition. Die Fragestunde („Question Time“) ist ein Element, welches das Bild vom britischen Parlamentarismus über die Grenzen Großbritanniens hinaus geprägt hat. Die qualitative und quantitative Entwicklung der parlamentarischen Fragen in ihren verschiedenen Ausprägungen aufzuzeigen, zu analysieren und zu bewerten ist Gegenstand des Beitrags. Die Zahl sowohl der Fragen zur mündlichen als auch zur schriftlichen Beantwortung hat in den letzten 40 Jahren stetig zugenommen. Reformen bezüglich der Zulassungskriterien konnten hier allenfalls kurzfristige Gegensteuerungseffekte erzielen. Basierend auf dem Datenstand zu Beginn der 90er Jahre zeigt der Beitrag, welche Abgeordneten parlamentarische Fragen im Unterhaus einsetzen, mit welcher Intensität sie dies tun und welche Intentionen sie damit verbinden. Die Fragestunden generell und insbesondere die Befragungen des Premierministers zeigen, daß neben die Absicht der reinen Informationsgewinnung der regelmäßige medienwirksame Schlagabtausch zwischen der Regierung und der Opposition getreten ist. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 46 ff.]

Eilfort, Michael: Der „Monarch“ ist tot, der „Adel“ erschüttert. Parlamentarismus im Frankreich des „Bürgerpräsidenten“ Jacques Chirac.
Eine Zwischenbilanz der Politik, des Parlamentarismus und der Parteienentwicklung im Frankreich des Staatspräsidenten Chiracergibt: Chirac gibt sich als „Bürgerpräsident“ zwar volkstümlich. Wenn es um seine Machtfülle und Machtausübung geht, ist er jedoch genauso ein „republikanischer Monarch“ wie seine Vorgänger. Selbst eine aufwendig inszenierte Verfassungsreform, die das schwache Parlament stärken sollte, brachte letztlich nur dem Präsidenten nennenswerten Machtgewinn. Viele Franzosen wollen Änderungen. Hinter den Kulissen und jeweils im „heißen Herbst“ auf offener Bühne verändert sich die V. Republik. Machtwechsel in der Ära Mitterrand, Affären und Skandale sowie eine seit 20 Jahren als Krise empfundene wirtschaftliche Entwicklung haben die Bürger desillusioniert und verärgert. Das Ergebnis ist eine tiefe Entfremdung zwischen der „classe politique“ und dem Volk, die zum einen das französische Modell der Elitenbildung in Frage stellt. Zum anderen könnte sie langfristig die politische Stabilität Frankreichs gefährden, weil sie sich nicht zuletzt in Wahlerfolgen der „Front National“ und einer wachsenden Ablehnung der europäischen Einigung äußert. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 60 ff.]

Weber, Peter: Die neue Ära der italienischen Mehrheitsdemokratie: Fragliche Stabilität bei fortdauernder Parteienzersplitterung.
1993 wurde in Italien ein neues Parteiwahlrecht eingeführt. Die Parteien reagierten mit der Aufteilung der Wahlkreise unter den Partnern des jeweiligen Lagers. Mit dieser „Proportionalisierung“ des Mehrheitswahlrechts wurde die Sanktionierungsmacht der Wähler weitgehend unterlaufen. Der Trend zur Parteienzersplitterung scheint ungebrochen, das Land weiterhin unregierbar. Der Sturz der Regierung Berlusconi, nur neun Monate nach ihrem überraschenden Wahlsieg im März 1994, hat gezeigt, daß die Wahlreform allein noch keine größere Regierungsstabilität garantiert. Unter der Regierung des „Technikers“ Dini ließen die Auseinandersetzungen auch 1995 keine Fortschritte bei der Verfassungsreform zu. Mit dem überraschenden Wahlsieg der Mitte-Links-Koalition bei den Parlamentswahlen am 21. April 1996 kam Italien dem Ziel einer „normalen“ Alternanz-Demokratie einen bedeutenden Schritt näher. Die ersten Schwierigkeiten der Regierung Prodi haben indes gezeigt, daß die Bedingungen der Regierungsarbeit in Italien im wesentlichen noch immer die der ersten Republik sind. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 85 ff.]

Steinsdorff, Silvia von: Parlamentswahlen und Parteibildung in Rußland. Erste Schritte in Richtung pluralistische Demokratie.
Aktuell gingen die kommunistischen Kräfte aus den russischen Parlamentswahlen vom Dezember 1995 als „Sieger“ hervor. Langfristig aber könnten die Wahlen zugleich grundsätzliche Entwicklungen gegen diese Kräfte eingeleitet haben. Sowohl der Wahlkampf als auch die Abstimmung selbst boten erste Gelegenheiten, die seit Verabschiedung der neuen Verfassung erreichte Weiterentwicklung und Verfestigung der Parteienlandschaft zu erproben. Die Wahl erwies sich als Test für demokratische Partizipations- und Entscheidungsfindung. Demokratie als Verfahren hat in Rußland an Raum gewonnen – etwa im lebhaften Wahlkampf, etwa in deutlich gestiegener Wahlbeteiligung. Eine Typologisierung des Parteiensystems ist aber nach wie vor unmöglich. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 116 ff.]

Minkenberg, Michael: Die Neue Radikale Rechte im Vergleich: Frankreich und Deutschland.
Die Entstehung und Mobilisierung einer neuen radikalen Rechten in Frankreich und Deutschland ist im Kontext eines durchgreifenden sozialen und kulturellen Wandels ab Mitte der 60er Jahre zu erklären – als Reflex auf intensive Modernisierungsschübe. Sowohl institutionelle als auch politisch-kulturelle Faktoren sind in Betracht zu ziehen. Auf der Ebene kultureller Eliten läßt sich nach 1968 in beiden Ländern ein neuer rechter Diskurs als Gegenmodell zur Agenda der neuen Linken konstatieren; darin geht es um die Konstituierung kollektiver Identität der jeweiligen Gesellschaften mittels der neorassistischen Argumentation des „Ethnopluralismus“ und einer dezidiert antiliberalen politischen Haltung. Während sich der „Front National“ als parteiförmiger Hegemon des rechtsradikalen Lagers in Frankreich durchsetzen konnte, gelang es den „Republikanern“ in Deutschland nur teilweise, die organisatorische Fragmentierung der radikalen Rechten zu überwinden. Sowohl in der rassistischen und antiliberalen Ideologie als auch hinsichtlich eines zunehmend aus der Arbeiterschaft kommenden Elektorats ähneln sich die beiden Parteien. Die divergierenden Mobilisierungsprozesse von „Front National“ und „Republikanern“ sind weniger auf unterschiedliche programmatische Ausrichtung und Wahlstrategien zurückzuführen. Vielmehr sind sie Ergebnis, erstens, der programmatischen Integration (in Deutschland) beziehungsweise Ausgrenzung (in Frankreich) des rassistischen und nationalistischen Diskurses durch die etablierten poetischen Kräfte und, zweitens, der jeweiligen politischen Kultur. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 140 ff.]

Fröhlich, Stefan: Wie mächtig ist der britische Premierminister? Neuere britische Forschungsansätze zu einem alten Disput.
Die meisten britischen Analytiker verbinden mit der Ära Thatchereinen weiteren graduellen Machtzuwachs des Premierministers gegenüber dem Kabinett. Im Zuge starker Personalisierung von Politik auch in Großbritannien wird die Stellung des britischen Premierministers Anfang der neunziger Jahre zuweilen mit der des amerikanischen Präsidenten gleichgesetzt: Die Persönlichkeit des Präsidenten und des Premierministers geben den Ausschlag für die jeweilige Politik und den „Regierungsstil“. Politischer Erfolg wird danach bestimmt, ob dieser Stil und die augenblickliche Gefühlslage des Volkes zusammenpassen. In bewußter Abgrenzung von bisherigen Ansätzen wird eine schleichende Veramerikanisierung der „political leadership“ im britischen System diagnostiziert – ein Phänomen, das auch in anderen modernen Demokratien konstatiert wird. Es werden signifikante Merkmale einer „British Presidency“ ausgemacht. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 160 ff.]

Schieren, Stefan: Mitgliederbefragungen: Politically correct, aber schädlich. Eine Antwort auf Bernd Becker in Heft 4/1996 der ZParl.
Fortsetzung eines in dieser Zeitschrift geführten Disputes um die Möglichkeiten, Formen, Grenzen, Zweckmäßigkeiten innenparteilicher Partizipation. [ZParl, 28. Jg., 1997, H. 1, S. 173 ff.]

Kommentare sind geschlossen.