Fuchs, Michael: Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages.
Der Deutsche Bundestag begleitete die fortschreitende europäische Integration und die damit einhergehende zunehmende Einbindung der Bundesrepublik in die Europäische Union seit über vierzig Jahren mit wechselnden Gremien, die schrittweise an Kompetenzen und Einfluss gewannen. Zu Beginn der 13. Wahlperiode 1994 wurde schließlich der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union eingesetzt, der durch die Grundgesetzänderung von 1992 über eine besondere verfassungsrechtliche Stellung verfügt. Der Ausschuss befasst sich mit allen relevanten europapolitischen Fragen, begleitet die Richtlinienumsetzung und ist an der europapolitischen Willensbildung beteiligt. Er ist zu einem Ort intensiven Dialogs zwischen Bundesregierung und Bundestag in diesen Belangen geworden und hat inzwischen in allen anderen EU-Mitgliedsländern (außer Luxemburg) äquivalente Gremien gefunden. Auch in den Beitrittsländern sind solche Ausschüsse frühzeitig eingerichtet worden. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 3 – 24)
Töller, Annette Elisabeth: Dimensionen der Europäisierung – Das Beispiel des Deutschen Bundestages.
Der Deutsche Bundestag hat in den vergangenen 20 Jahren, ebenso wie das gesamte deutsche Regierungssystem, eine durchgreifende „Europäisierung“ erfahren, und zwar auf dreierlei Weise: Einerseits wirkt die fortschreitende europäische Integration auf die parlamentarischen Handlungsspielräume („legislative Europäisierung“); zweitens hat der Bundestag institutionell und strategisch darauf reagiert („institutionelle und strategische Europäisierung“); drittens befindet er sich in einem Umfeld, in dem auch Akteure auf der europäischen Ebene zunehmend Vorstellungen über die Rolle und Rechte nationaler Parlamente in der europäischen Politik entwickeln („Europäisierung der Europäisierung“). Die empirischen Befunde hierzu erhellen die legitimatorische Rolle nationaler Parlamente und substantiieren damit generell die Debatte über die demokratische Legitimation der Entscheidungsprozesse in der EU. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 25 – 50)
Dobbins, Michael, Dietrich Drüner und Gerald Schneider:Kopenhagener Konsequenzen: Gesetzgebung in der EU vor und nach der Erweiterung.
Die Erweiterung der EU ist oft mit der Befürchtung verknüpft, dass die Aufnahme von zehn relativ armen Mitgliedstaaten die legislativen Entscheidungsprozesse negativ beeinflusst. Aus Experteninterviews gewonnene detaillierte Informationen zu den politischen Präferenzen der alten und neuen Mitgliedsländer – analysiert auf Grundlage der rationalen Entscheidungstheorie und bezogen auf den Ministerrat als derzeit wichtigstem gesetzgeberischen Organ der EU – ergeben hingegen, dass das Potenzial für Entscheidungszyklen kaum zunimmt. Es ist allerdings eine Stärkung der protektionistisch orientierten, produzentenfreundlichen Fraktion zu erwarten, so dass die nordeuropäischen Staaten auf legislativer Ebene zu den Verlierern der Erweiterung gehören könnten. [ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 51 – 68)
Göll, Edgar: Nachhaltigkeit als Herausforderung für Parlamente.
„Nachhaltige Entwicklung“ verspricht ein Konzept zu sein, mit dem die akuten Herausforderungen modernen Gesellschaften bewältigt werden könnten. Dafür sind adäquate Institutionen notwendig. Entsprechend wurden in den vergangenen Jahren neue institutionelle Ansätze in zahlreichen Staaten entwickelt und praktiziert. Allerdings sind nur wenige davon parlamentsnah ausgerichtet, obgleich gerade die Parlamente und ihre zentralen Funktionen tangiert werden. Beispiele aus sieben EU-Ländern zeigen, wie Regierungen durch teilweise sehr innovative institutionelle Lösungen versuchen, eine effektive Nachhaltigkeitspolitik zu verfolgen. Insbesondere die neuen Gremien in Finnland, Großbritannien und Schweden sind in der Lage, zusätzliche gesellschaftliche Ressourcen in Richtung Nachhaltigkeit zu mobilisieren. Auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen werden Empfehlungen speziell für den Deutschen Bundestag entwickelt. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 68 – 80)
Filzmaier, Peter und Fritz Plasser: Die US-amerikanischen Kongresswahlen 2002: Amtsinhaberbonus statt politischen Wettbewerbs?
Den US-Kongresswahlen 2002 kam richtungsweisender Charakter zu, denn erstens stand die Entscheidung für eine in republikanischer Hand vereinigte oder zwischen Republikanern und Demokraten geteilte Regierungsmacht an und zweitens übte die Außenpolitik nach dem 11. September 2001 einen ungewöhnlichen Einfluss aus. Dabei befand sich die Demokratische Partei aufgrund der formalen und politischen Rahmenbedingungen in einer „no win“-Situation. Insgesamt scheinen die Vereinigten Staaten in die Phase der so genannten post-electoral politics eingetreten zu sein: Nicht allein er Amtsbonus wieder kandidierender Abgeordneter oder Senatoren, sondern auch die kontinuierlich anwachsenden Abstände im Wahlergebnis führen zu einer Verringerung der Zahl der Kandidaten beziehungsweise der Herausforderer. Dies bedingt noch eindeutigere Wahlergebnisse und eine Einschränkung der politischen Wettbewerbssituation. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 81 – 98)
Schoen, Harald: Wechselwähler in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland: Politisch versiert oder ignorant?
Es ist sehr strittig, ob Wechselwähler politisch besser informiert und urteilsfähig sind als Stammwähler. Der Vergleich zwischen den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland ergibt, dass die deutschen Wechsler eher als kompetenter als ihre stabil wählenden Pendants sind, während für die US-amerikanischen und britischen Wechselwähler eher das Gegenteil gilt. Da sämtliche gemessenen Unterschiede praktisch jedoch kaum ins Gewicht fallen, kann man davon ausgehen, dass sich parteitreue und wechselhaft wählende Bürger in punkto politischer Kompetenz nicht unterscheiden. Wechselwähler taugen also weder als Hoffnungsträger für den demokratischen Wettbewerb, noch ist in ihnen eine ernsthafte Gefahr für eine niveauvolle politische Debatte zu sehen. [ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 99 – 112)
Nolte, Detlef und Mariana Llanos: Starker Bikameralismus? Zur Verfassungslage lateinamerikanischer Zweikammersysteme.
Obgleich Senate in Lateinamerika zahlreich sind, ein weit zurückreichende Tradition haben und eine relativ homogene Gruppe bilden, sind sie in der Forschung bisher völlig vernachlässigt worden. Die Analyse von neun Verfassungen belegt, dass die bikameralen Systeme Lateinamerikas ähnlich stark wie das US-amerikanische sind. In einem starken Zweikammersystem verfügen beide Kammern über die gleiche Macht (Symmetrie), setzen sich aber unterschiedlich zusammen (Inkongruenz). In einem schwachen besitzt eine Kammer, durchgehend das Abgeordnetenhaus, mehr Befugnisse (Asymmetrie), und beide Häuser setzen sich auf Grund der Selektionsverfahren ähnlich (Kongruenz) zusammen. Der lateinamerikanische Bikameralismus weist eine starke Symmetrie hinsichtlich der Kompetenzen beider Kammern auf, hingegen sind Abgeordnetenhaus und Senat überwiegend kongruent in ihrer Zusammensetzung. Nur in drei Ländern unterscheiden sich die beiden Kammern (aufgrund der Wahlsysteme und anderer Selektionsmechanismen) ähnlich stark voneinander wie die Häuser des US-Kongresses. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 113 – 131)
Bolleyer, Nicole: Kleine Parteien zwischen Stimmenmaximierung, Politikgestaltung und Regierungsteilnahme am Beispiel Irlands und Dänemarks.
Kleine Parteien unterscheiden sich nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ein vergleichsweise engeres Policy-Profil von großen Parteien. Daraus resultiert erstens eine größere psychologische wie auch faktische Anfälligkeit für Stimmenverluste. Der Nutzen einer Regierungsbeteiligung sinkt zweitens durch die Gefahr, von größeren Partnern koalitionsintern dominiert zu werden. Da sich kleine Parteien in der Regel durch stärkere politische Spezialisierung behaupten müssen, sind sie dringend auf die Erfolge bei der Umsetzung ihrer Positionen und deren Sichtbarkeit angewiesen. Die Beispiele Irlands und Dänemarks zeigen, dass für kleine Parteien die Koordination der Ziele Regierungsteilnahme, Politikgestaltung und Stimmenmaximierung auch in verschiedensten Systemkontexten erheblich schwieriger ist als für große. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 132 – 148)
Müller, Marion G.: Ein Verfassungseid für Abgeordnete des Europäischen Parlaments?
Mit der historischen Chance auf die Verabschiedung einer europäischen Verfassung sind die rechtlich-institutionellen Vorkehrungen getroffen für eine Erweiterung der Europäischen Union. Jenseits des rechtlichen Rahmenwerks stellt sich jedoch die Frage, wie die Legitimität der neuen Kompetenzordnung von den Repräsentanten an die Repräsentierten kommuniziert wird. In diesem Prozess spielen symbolische Kommunikationsformen, wie etwa der Abgeordneteneid, der dem Europäischen Parlament bislang fehlt, eine entscheidende Rolle. Legitimität kann nur erzielt werden, wenn jenseits der rechtsstaatlich-politischen Verlässlichkeit auch eine affektiv überzeugende Glaubwürdigkeit von den europäischen Institutionen – besonders vom Parlament als einzig direkt legitimiertem EU-Organ – vermittelt wird. Die Argumente, die für und gegen die Einführung eines Abgeordneteneides sprechen, werden unter Berücksichtigung von Erfahrungen in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland erörtert, bevor abschließend eine konkrete Empfehlung für die EU-Ebene gegeben wird. (ZParl, 35. Jg., H. 1, S. 149 – 168)