Siefken, Sven T.: Parlamentarische Frageverfahren – Symbolpolitik oder wirksames Kontrollinstrument?
Die Kontrolle der Regierung ist neben der Gesetzgebung eine der wichtigsten Funktionen von Parlamenten. Besonders sichtbar wird ihre Wahrnehmung in den parlamentarischen Frage- oder Interpellationsverfahren im Bundestag, zu denen die Große Anfrage, die Kleine Anfrage, sowie Schriftliche und Mündliche Fragen gehören. Die Analyse der Parlamentsstatistik zeigt, dass es zwischen diesen Verfahren in den vergangenen Jahrzehnten deutliche Verschiebungen gegeben hat, die auch mit einem veränderten Selbstverständnis des Bundestages zusammenhängen dürften. So ist insgesamt ein Trend von mündlichen zu schriftlichen Verfahren und eine Zunahme ihrer Nutzung durch die jeweilige Opposition deutlich. In Verbindung mit einer detaillierten Auswertung der Geschäftsprozesse und der öffentlichen Wirkung der Frageverfahren werden ihre Funktionen im politischen System dargestellt, um darauf aufbauend Empfehlungen für die Parlamentspraxis zu formulieren. Aufgezeigt wird, dass sie nicht vor einem zu engen Steuerungs- oder Kontrollbegriff bewertet werden sollten und eine wesentliche Rolle bei der Wahrnehmung der Öffentlichkeitsfunktion des Parlamentes spielen. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 18ff.]
Fischer, Jörn und André Kaiser: Der Bundestag: Sprungbrett oder Auffangbecken? Ministerkarrieren zwischen Parlament und Exekutive
Wir beleuchten die Rolle des Bundestags in den Karrieren von Bundesministern zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten: vor, während und nach dem Ministeramt. Über 70 Prozent der Minister sind bei ihrer Ersternennung ins Kabinett bereits Mitglied des Bundestags gewesen. Dieser Anteil steigt auf rund 90 Prozent während der Ausübung des Ministeramts. Nach dem Ausscheiden aus dem Kabinett wählten etwa 75 Prozent den nahtlosen Übergang von der Doppelrolle Minister/Abgeordneter zu einem reinen Abgeordnetendasein. Die Gesamtschau auf die Rolle des Bundestags in den Karrieren von Bundesministern lässt als häufigstes Muster eine Sandwich-Konstellation erkennen: Die Mehrheit der Bundesminister nutzt den Bundestag nicht nur als Sprungbrett ins Amt, sondern sichert sich auch im Kabinett ab durch eine Mitgliedschaft in einer die Regierung (mit)tragenden Fraktion. Darüber hinaus dient der Bundestag vielen Ex-Ministern nicht zuletzt als Auffangbecken, um die politische Karriere ausklingen zu lassen oder als Übergangslösung, um sich Tätigkeitsfeldern auf anderen Ebenen zu widmen. Es zeigt sich: Eine Zugehörigkeit zum nationalen Parlament ist fester Bestandteil nahezu jeder Bundesministerkarriere. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 36ff.]
Bußjäger, Peter: Freistellung von Abgeordneten für Betreuungszwecke. Zeitgemäße Neuerung oder eine verpönte Form des Mandats auf Zeit?
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Frage, inwieweit die Geschäftsordnungsregeln der Parlamente in Deutschland, der Schweiz und Österreich eine Freistellung von Mandataren für Betreuungszwecke (Kinder, Pflege naher Angehöriger) ermöglichen. Anders als das Arbeitsrecht sehen die Rechtsgrundlagen der politischen Arbeit explizite Vorschriften im Allgemeinen nicht vor. Die betroffenen Mandatare müssen sich entweder entscheiden, die Betreuung anderen zu überlassen, oder sich beurlauben zu lassen, was im Regelfall zu Lasten der Fraktion der Mandatare geht. Mehrere Bundesländer in Österreich (Vorarlberg und Salzburg) haben diese Frage nunmehr ausdrücklichen Regelungen zugeführt und damit einen neuen Weg beschritten. Mandatare können für Betreuungszwecke eine zeitlich limitierte Freistellung in Anspruch nehmen und sich während dieser Zeit durch ein Ersatzmitglied vertreten lassen. Dabei stellen sich auch einige interessante Rechtsfragen, was die Vereinbarkeit dieser Regelungen mit der österreichischen Bundesverfassung, die das so genannte „Mandat auf Zeit“ eigentlich verpönt, betrifft. Der Autor bejaht die Verfassungskonformität dieser innovativen Regelungen. Es wird sich allerdings erst weisen müssen, ob diese Regelungen praktische Bedeutung erlangen. Sie stellen aber jedenfalls eine Neuerung dar, die eine bessere Vereinbarkeit von Politik und Familienpflichten ermöglichen soll. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 42ff.]
Linden, Marcus und Winfried Thaa: Die Unabhängige Kommission Zuwanderung und die parlamentarische Repräsentation von Migranteninteressen: Exklusion durch deliberative Rationalisierung?
Der Beitrag thematisiert die Inklusionsfähigkeit von Expertengremien gegenüber unterschiedlichen Interessen. Dabei diskutiert er insbesondere das Problem einer möglicherweise systematischen Exklusion spezifischer Anliegen und Werte. Für deliberative Demokratietheorien, die eine prominente Rolle bei der Rechtfertigung deliberativer Gremien unter der Regierung Gerhard Schröders spielten, bildet die Inklusion aller von einer Entscheidung Betroffenen das wichtigste Kriterium ihrer Legitimität. Defizite der politischen Repräsentation lassen sich jedoch bereits in der diskurstheoretischen Begründung deliberativer Demokratie identifizieren. Die angelegte Tendenz zur Informalisierung und Kognitivierung der politischen Entscheidungsprozesse führt im Ergebnis nicht nur zur Entpolitisierung, sondern auch zur systematischen Benachteiligung von Anliegen, die sich nicht an ein primär ökonomisch verstandenes Gemeinwohl koppeln lassen. Empirisch wird diese theoretische Kritik anhand eines Vergleichs der parlamentarisch-parteipolitischen und deliberativ-rationalen („Süssmuth-Kommission“) Repräsentation von Migranteninteressen in der Ära Schröder belegt. Die hergebrachten Institutionen erweisen sich als überlegen, wenn es um die Einbindung schwacher, nicht an das vermeintliche Allgemeinwohl rückkoppelbarer Interessen geht. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 50ff.]
Meinel, Florian: Chancengleichheit oder Kooptation? Der Zugang kleiner Parteien zur Bundestagswahl
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte schickte die OSZE zur Bundestagswahl 2009 Wahlbeobachter nach Deutschland, um die Einhaltung demokratischer Grundsätze zu überwachen. Der Grund für diese außergewöhnliche Maßnahme war angeblich die Entscheidung des Bundeswahlausschusses, eine Reihe kleiner Parteien nicht als Parteien anzuerkennen und damit von der Teilnahme an der Wahl auszuschließen. Der Beitrag behandelt das damit aufgeworfene verfassungsrechtliche Problem, ausgehend von einer Bestandsaufnahme des geltenden Wahlrechts und der Staatspraxis. Die gegenwärtige Regelung erweist sich dabei als mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien (Art. 21 GG) unvereinbar. Die in § 18 Abs. 4 des Bundeswahlgesetzes getroffene Regelung räumt nämlich den parlamentarisch etablierten Parteien eine nicht hinnehmbare Entscheidungsgewalt über die Zulassung kleiner Konkurrenten ein, die zudem durch keine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit aufgewogen wird. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 67ff.]
Schmedes, Hans-Jörg: Wählen unter Europas Blick. Internationale Wahlbeobachtung als Demokratisierungshilfe und die Beobachtung der Bundestagswahlen 2009 durch die OSZE
Mit der Bundestagswahl 2009 wurde erstmals eine Abstimmung in Deutschland von einer internatio-nalen Organisation beobachtet. Angesichts des hohen öffentlichen Vertrauens in die Integrität des Prozesses wurde die Entsendung der OSZE-Wahlbewertungsmission nach Deutschland vielfach mit Überraschung zur Kenntnis genommen. Anders als in Medienberichten partiell suggeriert, lag der Entscheidung zur Beobachtung des Urnengangs jedoch kein konkreter Anlass zugrunde, sondern ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die OSZE ihre strukturierten und standardisierten Methode der Wahlbeobachtung in den vergangenen Jahren auch auf die etablierten Demokratien unter ihren Teilnehmerstaaten ausgeweitet hat. In seiner Gesamtheit wurde der deutsche Urnengang von der OSZE-Mission als äußerst positiv bewertet. Dennoch regten die internationalen Wahlexperten eine Überarbeitung des Wahlgesetzes an, um Entscheidungen des Bundeswahlausschusses bereits im Vorfeld der Wahl einem gerichtlichen Beschwerdeverfahren zu unterwerfen. Auch sollten den Beobachtern zufolge Einsprüche gegen Entscheidungen des Wahlprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages ohne die bislang geforderten 100 Unterstützerunterschriften möglich sein. Ferner wurde vorgeschlagen, die Zulassung zur Wahl präzisen, objektiven und messbaren Kriterien zu unterwerfen sowie Parteispenden zügiger zu veröffentlichen. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 77ff.]
Jesse, Eckhard: Die Bundestagswahl 2009 im Spiegel der repräsentativen Wahlstatistik
Die amtliche repräsentative Wahlstatistik gibt es seit der Bundestagswahl 1953 (mit Ausnahme der Bundestagswahlen 1994 und 1998). Sie ist weltweit einzigartig und besticht durch ihre Exaktheit. Erfasst wird die Stimmabgabe nach dem Geschlecht und nach fünf Altersgruppen. Bei der Bundestagswahl 2009 verlor die Union bei den Männern 3,8 Punkte, gewann jedoch bei den Frauen 0,9 Punkte. Sie ist damit ebenso eine „Frauenpartei“ (Frauen: 36,4 Prozent; Männer: 31,0 Prozent) wie Bündnis 90/Grüne (Frauen: 12,0 Prozent; Männer 9,4 Prozent). Die Stimmabgabe nach Altersgruppen weist deutlichere Unterschiede auf als die nach dem Geschlecht. Union, SPD und die Linke sind eher „alte“ Parteien, Grüne und Liberale „junge“. Die SPD hat bei den 18- bis 24-Jährigen mehr als jede zweite Wählerstimme, bei den über 60-Jährigen „nur“ jede vierte verloren. Es gibt zwischen den alten und den neuen Bundesländern beträchtliche Unterschiede. Während die Union im Westen bei den Männern 5,2 Punkte verlor, gewann sie im Osten bei den Frauen 7,3 Punkte. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 91ff.]
Goerres, Achim: Das Wahlverhalten älterer Menschen. Forschungsergebnisse aus etablierten Demokratien
Dieser Beitrag gibt vor dem Hintergrund einer alternden deutschen Wählerschaft einen Überblick über die empirischen Befunde zu altersabhängigen Effekten auf das Wahlverhalten. Diese Effekte lassen sich in Generationeneffekte, die in politischer und sozioökonomischer Sozialisation begründet sind, und Alterseffekte aufteilen, die auf Alterung, Erfahrung und dem Lebenszyklus zurückzuführen sind. Insgesamt zeigen die Ergebnisse aus etablierten Demokratien, dass sich ältere Wähler nicht auf eine einfache Art und Weise von jüngeren unterscheiden – weder bei der Wahlbeteiligung, noch beim Inhalt der Wahlentscheidung. Deswegen sollte auch jede Diskussion dieser Unterschiede und ihrer Implikationen für alternde demokratische Gesellschaften ohne Vereinfachung geführt werden. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 102ff.]
Kranenpohl, Uwe: Als die Volkskammer (fast) zum Parlament wurde … ’Sozialistischer Parlamentarismus’ in der DDR 1989/90
Nach dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft im Herbst 1989 eröffnete sich für die „sozialistische Vertretungskörperschaft“ Volkskammer die Möglichkeit, jene Parlamentsfunktionen wahrzunehmen, die ihr zuvor lediglich pro forma zugesprochen wurden. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass die Kammer in den wenigen Sitzungen bis zu ihrer vorzeitigen Auflösung in allen Funktionsbereichen (Wahl bzw. Kreation, Kontrolle, Gesetzgebung, Kommunikation sowie Repräsentation) – zum Teil beachtliche – Aktivitäten entwickelte. Eine große Belastung stellte allerdings die mangelnde demokratische Legitimation der 1986 noch auf Einheitslisten „gewählten“ Abgeordneten dar. Insbesondere nach Etablierung des Zentralen Runden Tischs geriet die Volkskammer gegenüber diesem deutlich ins Hintertreffen – versammelte sich an ihm doch ein deutlich repräsentativeres Abbild der DDR-Gesellschaft. Auch dieser Fall verdeutlicht, dass undemokratische Vertretungskörperschaften in politischen Krisen wichtige Gelegenheitsstrukturen für die Liberalisierung und Demokratisierung autokratischer Systeme bieten können. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 121ff.]
Peters, Gunnar: Das ungeschriebene amtliche Handbuch der 10. Volkskammer der DDR 1990
Am 18. März 1990 demokratisch gewählt, löste sich die 10. Volkskammer der DDR am 2. Oktober 1990 auf, ohne dass ein amtliches Handbuch mit persönlichen Angaben zu allen Abgeordneten erschienen war. Entscheidend dafür waren nach der bisherigen Forschung die schnelle Wiedervereinigung und Kostengründe. Ein Blick in die Akten zeigt jedoch, dass die Abgeordneten selbst das Erscheinen des Handbuches verhindert haben. Eine erhebliche Zahl von ihnen lieferte die erforderlichen persönlichen Angaben nicht rechtzeitig zum geplanten Redaktionsschluss (30. Mai 1990). Welche Ursachen hierfür im Einzelfall verantwortlich waren, ist schwer festzustellen. Die Bemühungen, ein Handbuch zu veröffentlichen, hielten jedenfalls an und wurden erst Ende Juli 1990 wegen zwischenzeitlich steigender Kosten und eines zu späten Fertigstellungstermins begraben. Aus den gleichen Gründen scheiterte eine ergänzte Auflage des im Mai 1990 erschienenen Mitgliederverzeichnisses, die man als Ersatz erwogen hatte. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 142ff.]
Hilmer, Richard: Bundestagswahl 2009: Ein Wechsel auf Raten
Die Bundestagswahl 2009 stand ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise. Am Ende verhalfen die Wähler Union und FDP zu einer stabilen Regierungsmehrheit, weil sie dieser Konstellation wie schon in anderen Krisensituationen, wie dem Wiederaufbau der Bundesrepublik oder der Wiedervereinigung, am meisten vertrauten. Damit erschöpft sich aber schon die Kontinuität, insgesamt stellt diese Bundestagswahl eine tiefe Zäsur für das Parteiengefüge in Deutschland dar: Nie seit der Gründungsphase der Bundesrepublik gab es mehr Volatilität und größere Verwerfungen zwischen den Parteien. Nie hat darunter eine Partei so gelitten wie diesmal die SPD mit einem Rekordminus von 11,2 Punkten. Da aber auch CDU und vor allem die CSU deutlich verloren, vereinten die beiden Volksparteien noch nie so wenige Stimmen auf sich (56,8 Prozent). Für die Union verlief das Ganze insoweit noch glimpflich, als sie ihre Mandatsverluste durch die höchste jemals erzielte Zahl von Überhangmandaten mehr als kompensieren konnte. Und – auch dies ein trauriger Rekord – noch nie haben sich so wenige Bürger an einer Bundestagswahl beteiligt wie 2009. Gleichwohl erwies sich das politische System der Bundesrepublik als robust. Denn auch in Zeiten der Krise spielten rechtsradikale und andere kleinere Parteien so gut wie keine Rolle. Die Veränderungen spielten sich ausschließlich innerhalb des seit der Vereinigung etablierten Fünf-Parteien-Systems ab, das gefestigt aber mit einer völlig veränderten Statik aus dieser Wahl hervorging, mit zwei geschwächten Volksparteien und drei erheblich gestärkten Oppositionsparteien, allen voran die FDP, die mit 14,6 Prozent ein Rekordergebnis einfuhr. Die Folgen dieser neuen Statik lassen sich an dem neuen Kräfteverhältnis innerhalb der schwarz-gelben Koalition ablesen: die ersten hundert Tage der Merkel-Westerwelle-Regierung waren geprägt von einer sehr fordernd auftretenden FDP und eher defensiv agierenden Unionsparteien, von unterschiedlichen Interpretationen des Koalitionsvertrages und von teils heftigen Auseinandersetzungen um den richtigen Weg aus der Krise. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 147ff.]
Saalfeld, Thomas: Regierungsbildung 2009: Merkel II und ein höchst unvollständiger Vertrag
Die 2009 gebildete Koalition aus CDU, CSU und FDP war von den drei vor der Bundestagswahl als „Wunschbündnis“ signalisiert worden. Die Verhandlungen gingen deshalb zügig vonstatten. Spieltheoretisch ist das Kabinett Merkel II eine Ämter- und Policy-Nutzen optimierende Gleichgewichtslösung. Die ersten 100 Tage der Regierung zeigen jedoch, dass Koalitionsvereinbarungen auch unter solch günstigen Bedingungen „unvollständige Verträge“ bleiben, in denen sich die Koalitionäre oft nicht auf ein komplettes Regierungsprogramm einigen und wichtige Schlüsselentscheidungen durch „dilatorische Formelkompromisse“ auf spätere Verhandlungen verschieben. Deshalb wird die Regierung Merkel II bedeutende politische Weichenstellungen unter den ungünstigeren Bedingungen der laufenden Legislaturperiode mit wichtigen Wahlen und besser formierter Opposition aushandeln müssen. Auch werden die institutionellen Agendasetzer- und Blockademöglichkeiten der Bundeskanzlerin, des Finanzministers und der Bundesratsmitglieder eine größere Rolle spielen als während der Koalitionsverhandlungen. Für die Koalitionsforschung erweist sich die Notwendigkeit einer neuen Generation dynamischer Theorien, um den Lebenszyklus von Koalitionen über diskrete Ereignisse wie Regierungsbildung oder -zerfall hinaus zu modellieren. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S. 181ff.]
Helms, Ludger: Modelldemokratie im Gegenwind? Die Bundesrepublik in der vergleichenden Politikwissenschaft
Die Bundesrepublik Deutschland gehört nicht nur zu jenen demokratischen Systemen, die sich als politisch stabil und weithin erfolgreich erwiesen haben. Tatsächlich hat die deutsche Nachkriegsdemokratie während der vergangenen Jahrzehnte vielen anderen Ländern in unterschiedlichen Bereichen geradezu als Vorbild gedient und eine prominente Position in der internationalen Komparatistik erlangt. Modellhafte Züge entfaltete in den vergangenen Jahrzehnten vor allem das hohe Maß an institutioneller Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle, welches das deutsche Regierungssystem kennzeichnet. Während dieser Aspekt in der Politik und im politischen Journalismus mittlerweile zum Anstoß weitreichender Kritik geworden ist, tendiert die internationale Demokratieforschung dazu, konsensusdemokratisch geprägte Systeme im Stile der Bundesrepublik als strukturell überlegen zu betrachten. [ZParl, 41. Jg., H. 1, S.207ff.]