Kintz, Melanie: Die Berufsstruktur der Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages.
Die Bundestagswahl im September 2009 brachte größere Verschiebungen im Parteiengefüge des Deutschen Bundestages. Unter Nutzung des Hess’schen Kategorienschemas wird die Dokumentation der Entwicklungen der Berufstruktur deutscher Abgeordneter fortgesetzt, die Konsequenzen der Verschiebungen, Entwicklungen zwischen ost- und westdeutschen Abgeordneten betrachtet und ein Ausblick auf Entwicklungstrends unter jüngeren Abgeordneten gegeben. Dabei ist festzustellen, dass der Anteil der Beamten im Bundestag immer mehr abnimmt, während Parteien, besonders Die Grünen und die Linkspartei, immer öfter auf Mitarbeiter in der Rekrutierung von Kandidaten zurückgreifen. Des Weiteren fällt auf, dass auch 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung eine Angleichung der Karriereprofile noch nicht stattgefunden hat, Ostdeutsche sind nach wie vor weniger stark in der Verwaltung, bei den Selbständigen und Freiberuflern zu finden. Dieser Strukturunterschied setzt sich auch unter den jüngeren Abgeordneten fort. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 491 – 503]
Tenscher, Jens und Laura Will: Abgeordnete online? Internetaktivitäten und -bewertungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages.
Die in den vergangenen Jahren beschleunigte Ausdifferenzierung und Vermehrung „neuer“, digitaler Medienangebote sowie deren verstärkte Nutzung seitens immer größer werdender Teile der Bevölkerung hat wiederholt Anlass für Spekulationen über eine Neujustierung des kommunikativen Beziehungsgeflechts von politischen Repräsentanten und Repräsentierten gegeben. Dabei haben im Fokus der Debatte um die „elektronische Demokratie“ zumeist die technischen Potenziale sowie der Umgang der Bürger mit interaktiven politischen Kommunikationskanälen gestanden. Der „Angebotsseite“, also den Aktivitäten politischer Akteure „im Netz“, und insbesondere den dahinter stehenden Motiven ist demgegenüber vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Befunde einer repräsentativen Befragung der Internetaktivitäten und -bewertungen der Mitglieder des Deutschen Bundestags deuten auf recht unterschiedlich verteilte Kompetenzen, Erwartungen und Befürchtungen der Abgeordneten gegenüber der digitalen Bürgerkommunikation hin. Es zeichnet sich derzeit eine Art Digital Divide ab, der sich alters- und sozialisationsbedingt quer durch die parlamentarischen Reihen zieht. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 504 – 518]
Heinz, Dominic: Mandatstypen und Ausschussmitgliedschaften der Mitglieder des Deutschen Bundestags – Eine empirische Untersuchung von 1949 bis 2005.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in einem besonderen Ausschuss und dem Mandatstyp von Bundestagsabgeordneten? Es zeigt sich, dass Mandats- und Ausschusstypen bei den Mitgliedern des Bundestags von 1949 bis 2005 stabil sind. Es finden kaum Wechsel zwischen Direkt- und Listenmandat und zwischen verschiedenen Ausschusstypen statt. Darüber hinaus gab es von 1949 bis 2005 mehr Direktabgeordnete in den Ausschüssen für Landwirtschaft, Verkehr und Bau, die in der Literatur als Wahlkreisausschüsse bezeichnet werden, und mehr Listenabgeordnete in den Ausschüssen für Gesundheit, Verteidigung, Familie und Entwicklung, die als Parteiausschüsse bezeichnet werden. Selbst wenn man Wahlkreis- und Parteiausschüsse als deutlich unterscheidbare Typen annimmt, wäre das Wahlsystem zur Erklärung der Allokation von Ausschussmitgliedschaften bestenfalls in einem Drittel der Fälle geeignet. Aus diesem Grund sollten entweder weitere Ausschüsse klassifiziert werden, oder theoretische Erklärungen der Verteilung von Ausschusssitzen müssen nach anderen Faktoren suchen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 518 – 527]
Austermann, Philipp: Spenden an Abgeordnete.
Die finanziellen Zuwendungen an Parteien und Politiker werden von der Öffentlichkeit stets besonders beobachtet. Indessen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen der Öffentlichkeit oftmals unbekannt. Deshalb werden hier die rechtlichen Grundlagen und Folgen finanzieller Zuwendungen an Abgeordnete des Deutschen Bundestages erläutert und dargestellt, dass Spenden an Abgeordnete rechtlich grundsätzlich zulässig sind (mit gewissen Ausnahmen), sie aber Transparenzvorschriften unterliegen. Die zulässigen Abgeordnetenspenden sind zu unterscheiden von den in § 44a Abs. 2 Abgeordnetengesetz genannten unzulässigen Zuwendungen, wobei die in einzelnen Fällen die jeweiligen Umstände maßgeblich sind. Unzulässige Zuwendungen sind dem Bundeshaushalt zuzuführen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 527 – 534]
Pieroth, Bodo und Andreas Meßmann: Verfassungsfragen der Personalvertretung im Deutschen Bundestag.
Die Mitbestimmung von Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten wird gegenwärtig in einer nach Fraktionen unterschiedlichen Weise praktiziert: Teils gibt es eine personalvertretungs-, teils eine betriebsverfassungsrechtliche, teils gar keine Mitbestimmung. Zutreffend ist die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, wie das Verwaltungsgericht Berlin für die Mitarbeiter der Bundestagsfraktionen entschieden hat. Dies verstößt weder gegen das Behinderungsverbot (Art. 48 Abs. 2 GG) noch gegen die Garantie des Freien Mandats (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), da die Mitwirkung des Personalrats bei Einstellung, Kündigung und Arbeitszeit des Abgeordneten Mitarbeiters zwar einen mittelbar-faktischen Einfluss auf die Ausübung des Mandats darstellt, der aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt (Effektivität der Mandatsausübung, Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten, angemessene Amtsausstattung) als Verletzung der verfassungsrechtlichen Garantie des Freien Mandats qualifiziert werden kann. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 535 – 542]
Hölscheidt, Sven und Tilman Hoppe: Der Mythos vom „europäischen Impuls“ in der deutschen Gesetzgebungsstatistik.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Lissabon-Urteil die Frage angesprochen, in welchem Ausmaß mitgliedstaatliche „Gesetzgebungsakte bereits europäisch beeinflusst, präformiert oder determiniert“ sind. Diese Europäisierung bemisst die politikwissenschaftliche Forschung, indem sie die Anzahl der in vergangenen Legislaturperioden erlassenen Gesetze zählt, die auf einem „europäischen Impuls“ beruhen („Impuls-Methode“). Diese Methode bezieht ihr Datenmaterial zu einem erheblichen Anteil aus der Gesetzgebungsdokumentation des Deutschen Bundestages. Diese kann jedoch längst nicht alle Gesetze erfassen, die auf Vorgaben der Europäischen Union beruhen. Auch ist keine Aussage dazu möglich, ob in der Vergangenheit erlassene Gesetze, die auf einen „europäischen Impuls“ zurückgehen, heute noch in Kraft sind. Daher lässt sich der Einfluss europäischer Rechtsetzung auf das in der Bundesrepublik geltende Recht richtigerweise nur ermitteln, indem man die Anzahl geltender europäischer Rechtsakte ins Verhältnis setzt zu der Anzahl geltender deutscher Gesetze („Kompetenz-Methode“). [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 543 – 551]
Herz, Hans: Parlaments-„Bureau“ und Parlamentsverwaltung. Zur erfolgreichen Entwicklung des innerparlamentarischen Dienstbetriebs seit 1815.
Deutsche Parlamente verfügen über eigene Verwaltungen. Da es bisher weder eine systematische Untersuchung noch eine zusammenhängende Darstellung zu dieser Thematik gab, wird hier gezeigt, wie sich diese Verwaltungen aus historischen und soziopolitischen Gründen mehr oder weniger zusammen mit ihren legislativen Organen entwickelten. Dabei bildete sich zwischen den Parlamenten und den Parlamentsverwaltungen bis heute ein spezifisches innerparlamentarisches Verhältnis aus. Dieses wurde einerseits ab dem 19. Jahrhundert vom Wandel der absolutistischen und konstitutionellen Monarchien hin zu demokratischen Herrschaftsverhältnissen geprägt. Andererseits beeinflussten auch die Exekutiven (Monarchen, Regierungen, Ministerialbürokratien) diese Entwicklung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich das innerparlamentarische Verhältnis in seinem besonderen von außen unbeeinflussten Sinn ausbilden: Seit dieser Zeit verfügten die deutschen Parlamente über ausschließlich ihnen unterstellte Verwaltungen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 551 – 563]
Decker, Frank: Zwischen Placebo und Erfolgsmodell. Direkte Demokratie auf der Landesebene.
In den deutschen Ländern sind die direktdemokratischen Verfahren in den letzten eineinhalb Jahrzehnten kontinuierlich ausgeweitet und in ihrer Anwendbarkeit verbessert worden. Dennoch spielen sie im realen politischen Leben nur eine geringe Rolle, da ihre Ausgestaltung im Schnitt sehr restriktiv bleibt. Hohe Hürden und weit reichende Ausschlussgegenstände verweisen auf die potenzielle Systemunverträglichkeit der plebiszitären Elemente, mit der auf dem Dualismus von regierender Mehrheit und Opposition basierenden parlamentarischen Regierungsform. Besser einbetten ließen sie sich in ein präsidentielles System (Direktwahl der Ministerpräsidenten), das durch Verfassungsreform in den Ländern eingeführt werden könnte. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 564 – 579]
Meerkamp, Frank: Die Bedeutung von Eintragungsfristen beim Volksbegehren im Rahmen der Volksgesetzgebungsverfahren in den deutschen Ländern.
Die Volksgesetzgebung hat sich in den Verfassungen der Länder etabliert. Die Phase des Justierens der Verfahren hat begonnen. Eintragungsmodalitäten beim Volksbegehren spielen eine wichtige Rolle bei der Modernisierung des Designs der Volksgesetzgebung. Sie müssen widerstreitende Interessen zwischen den Initiatoren, den Eintragungsberechtigten, den Verwaltungsbehörden und der Legislative berücksichtigen. Eintragungsfristen haben dem Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach einem überschaubaren und rechtssicheren, aber auch praxisorientierten und partizipationsfreundlichen Verfahren gerecht zu werden und dürfen Volksbegehren nicht über Gebühr erschweren. Insbesondere 14-Tage-Fristen, Relikte der Weimarer und frühen Bundesrepublik, werden dem nicht mehr gerecht. Dagegen ist eine sechsmonatige Frist für einen öffentlichen Diskurs ausreichend lang, um die demokratische Artikulations- und Integrationsfunktion der Volksgesetzgebung zu unterstützen und bleibt dennoch überschaubar, ohne den vom Qualifikationsquorum zu leistenden Intensitäts- und Relevanztest aufzuweichen. Sie schafft faire Wettbewerbschancen, ohne etablierte Interessen zu bevorteilen und bietet allen Bürgern die Möglichkeit der Eintragung, ohne die Arbeitsfähigkeit der Verwaltungen und des parlamentarischen Gesetzgebers über Gebühr zu beeinträchtigen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 579 – 598]
David, Klaus: Wechselfälle des Wahlrechts in Hamburg. Oder: Die Verhinderung eines weiteren Volksentscheids über das Wahlrecht.
Zwischen 2004 und 2009 haben die beiden in Art. 48 Abs. 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vorgesehenen Gesetzgeber, die Bürgerschaft und das Volk mittels Volksentscheids, eine bemerkenswerte Auseinandersetzung über das Wahlrecht geführt. Es ging um nicht weniger, als wer von beiden das letzte Wort mit Verbindlichkeit spricht. Die Hamburger Bürger beschlossen am 13. Juni 2004 durch Volksentscheid ein grundlegend neues Wahlgesetz für die Bürgerschaft und die Bezirksversammlungen. Der repräsentative Gesetzgeber, die Bürgerschaft, änderte 2006 das Volkswahlgesetz in einer Reihe von Punkten, die dessen Initiatoren wichtig waren. Auf Grund der Erfahrung der Initiatoren, dass die Bürgerschaft die Verbindlichkeit eines Volksgesetzes nicht uneingeschränkt akzeptiert hatte, erweiterte sich die Auseinandersetzung um Regeln, die die Verbindlichkeit von Volksgesetzen, insbesondere im Wahlrecht, sichern sollten. Die Initiatoren unternahmen einen zweiten Anlauf zu einem Volksentscheid, um ihr wahlrechtliches Ziel zu erreichen. Die Bürgerschaft erkannte die Erfolgsaussichten eines weiteren Volksentscheids. Sie wollte sich nicht endgültig einschließlich einer Sicherungsklausel ein Wahlrecht mittels Volksentscheids aufdrängen lassen und akzeptierte einen Kompromiss, den sie mit den Initiatoren aushandelte und als Parlamentsgesetz beschloss, mit dem aber sehr weitgehend die Ziele der Initiatoren verwirklicht wurden. Einen weiteren Volksentscheid hat die Bürgerschaft damit vermieden. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 598 – 622]
Sieveking, Klaus: Zur Mobilisierung von politischen Beteiligungsrechten für nicht EU-angehörige Einwanderer.
Die Haltung gegenüber der Gewährung von politischen Teilhaberechten der Einwanderer hat sich in Deutschland zwischen 1971 und 2009 wenig geändert. Der erste Versuch, politische Beteiligungsrechte für Drittstaatsangehörige zu ermöglichen, scheiterte an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1990, in dem die Bindung von Staatsangehörigkeit und politischem Teilhaberecht auf allen politischen Entscheidungsebenen postuliert wurde. Jüngere Entwicklungen im europäischen und internationalen Recht tendieren zu einer veränderten Beurteilung der Situation. Seit 1994 erhielten die in anderen Mitgliedstaaten lebenden Unionsbürger das Kommunalwahlrecht im Aufenthaltsstaat. Das deutsche Einbürgerungsrecht wurde geändert. Neben dem Abstammungsprinzip wurde unter bestimmten Bedingungen auch der Staatsangehörigkeitserwerb nach dem Aufenthaltsprinzip zugelassen. Das neue Gesetz und parallele Einbürgerungskampagnen waren wenig erfolgreich in der Steigerung politischer Teilhaberechte von Migranten. Inzwischen haben die meisten Mitgliedstaaten der EU die politischen Beteiligungsrechte auf Einwanderer ausgedehnt. In Deutschland dagegen werden sie immer noch gegenüber Unionsbürgern diskriminiert. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaftler und Richter halten die Gewährung politischer Rechte für Drittstaatsangehörige für zulässig. In Übereinstimmung mit Art. 14 und 16 EMRK und Art. 3 GG sollte Deutschland das Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige erlauben. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 623 – 637]
Lee, Eun-Jeung: Wenn Bürger nicht nur Wähler sein wollen. Elektronische Demokratie in Südkorea – ein Testfall.
In Südkorea hat das Internet in den letzten zehn Jahren in der öffentlichen Debatte und der politischen Mobilisierung eine entscheidende Rolle gespielt. Die Online-Öffentlichkeit greift allerdings bei weitem nicht alle öffentlichen und politischen Themen auf. Sie agiert, wie die Wahlen 2007 und 2008 gezeigt haben, sehr selektiv. Wann und wie ein Thema ins Interesse der Online-Öffentlichkeit rückt und ob es zu einer Debatte führt, ist erst nachträglich zu erkennen. Prognosen dazu sind daher spekulativ. NGOs, die sich normalerweise auf wenige Bereiche beschränken, haben Schwierigkeiten, diese urwüchsige Dynamik zu akzeptieren und die Online-Öffentlichkeit für ihre Zwecke zu nutzen, beziehungsweise mit Kritik aus ihr umzugehen. Ähnliches gilt für die Regierung, die zu schwerfällig ist, um an dieser neuen Online-Öffentlichkeit sinnvoll partizipieren zu können. Versucht die Regierung, diese zu kontrollieren, finden die „Netizen“ (Net-Citizen) gleich einen Weg, diese Kontrollen zu umgehen. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Netizen durchaus in der Lage sind, eine reflektierte und fundierte Debatte zu führen und dabei durch Selbstkontrolle und Filter extreme Meinungen auszusondern. Durch solche Prozesse werden die Bürger zu aktiven politischen Akteuren und wachsen über ihr reines Wählerdasein hinaus. Die traditionellen politischen Eliten haben Schwierigkeiten, mit dieser Herausforderung umzugehen. Zugleich stellt diese Online-Öffentlichkeit eine Chance für die Stärkung der repräsentativen Demokratie dar. Diese leidet wie auch in anderen Ländern unter Legitimitätsproblemen, die unter anderem in der sinkenden Wahlbeteiligung zum Ausdruck kommen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 638 – 653]
Kropp, Sabine und Matthias Ruschke: Parlament und Verwaltung: in Rollenpartnerschaft vereint? Ein Plädoyer für die Verknüpfung von Parlaments- und Verwaltungsforschung.
Parlamentsforschung und Verwaltungswissenschaft teilen zwar gemeinsame Forschungsinteressen, sie sind jedoch kaum miteinander vernetzt. Der Beitrag plädiert mit Nachdruck dafür, beide Forschungszweige enger als bisher zusammenzuführen. Sein Interesse gilt dem Rollenverständnis von Abgeordneten und Ministerialbeamten, das in der Forschung als aussagekräftiger Prädiktor für Verhalten gilt. Es liegen nur wenige Befunde darüber vor, wie sich beide Seiten wechselseitig wahrnehmen und ob Selbst- und Fremdzuschreibungen übereinstimmen. Gerade dieser Aspekt ist jedoch von großer Bedeutung, will man abschätzen, wie tragfähig das Vertrauen zwischen politischen Eliten – als notwendige Vorbedingung für effektives Regieren – ist. Der Beitrag arbeitet den Forschungsstand zu diesem Thema auf, identifiziert Forschungslücken und entwickelt Hypothesen zum (wechselseitigen) Rollenverständnis von Parlament und Verwaltung. Von besonderem Interesse sind dabei die Effekte, die von der Europäisierung nationaler Politiken wahrscheinlich ausgehen. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 654 – 676]
Zimmer, Christina: Politikkoordination im deutschen Bundesstaat: Wandel in den Arbeitsstrukturen?
Im deutschen Bundesstaat koordinieren die Länder, häufig unter Beteiligung des Bundes, weite Bereiche ihrer Politik und Verwaltung in freiwilligen Verhandlungen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Fachministerkonferenzen und ihre Arbeitsgremien. Nach einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus dem Jahr 2004 ist diese Gremienstruktur sektoral in unterschiedlichem Ausmaß reformiert worden. In einigen Politikfeldern wurde eine Vielzahl von Gremien aufgelöst oder befristet, in anderen Bereichen sind kaum Veränderungen zu beobachten. Das Fallbeispiel Umwelt zeigt, dass auch die Auswirkungen von Gremienabbau auf die bundesstaatliche Koordination differenziert betrachtet werden müssen. Zwar besteht eine grundlegende Tendenz zu verstärkter Politisierung, aus der sich thematische Verschiebungen, ein erhöhter Zeitaufwand sowie „Reibungsverluste“ bei der Abstimmung ergeben können. Andererseits eröffnen sich den Akteuren Möglichkeiten zur Anwendung ausweichender Strategien, so dass umfassende Veränderungen auf Dauer eher nicht zu erwarten sind. [ZParl, 41. Jg., H. 3, S. 677 – 692]