Röper, Erich: Fast überall unzureichende Berichte der Petitionsausschüsse.
Zur Erfüllung der Kontroll- und Gestaltungsaufgaben als Teil des freien Mandats müssen die Abgeordneten sich über die Verhandlungsgegenstände im Parlament ausreichend unterrichten können: Jeder Vorgang hat ohne die Erläuterungen und Erörterungen in der Fraktion aus sich verständlich zu sein, auch Berichte und Beschlussempfehlungen der Ausschüsse. Dem genügen die stichwortartigen Berichte der Petitionsausschüsse im Bundestag und den meisten Landtagen nicht. Gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßend, sind sie verfassungswidrig. Verfassungskonforme Berichte des Petitionsausschusses hat der Landtag Baden-Württemberg. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 239 ff.)
Niedermayer, Oskar und Richard Stöss: Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom 21. Oktober 2001: Regierungswechsel nach vorgezogenen Neuwahlen.
Anlässlich einer Spendenaffäre der CDU beendete die SPD im Sommer 2001 die Große Koalition in Berlin und bildete mit Unterstützung der PDS einen rot-grünen Minderheitssenat. Daher fanden im Oktober 2001 vorgezogene Neuwahlen statt, die die politische Landschaft in Berlin gründlich veränderten. Nach 30 Jahren wurde die SPD mit knapp 30 Prozent wieder stärkste Partei im Stadtstaat, während die CDU auf rund 24 Prozent absank und damit nur geringfügig besser abschnitt als die PDS, die ihren kontinuierlichen Erfolgskurs fortsetzte. Die FDP brachte es auf sensationelle zehn Prozent und war damit nach sechsjähriger Absenz wieder im Abgeordnetenhaus vertreten. Nach außergewöhnlich langen Verhandlungen scheiterte die Bildung einer Regierung aus SPD, FDP und Bündnisgrünen an scheinbaren Lappalien. Innerhalb kurzer Zeit einigten sich dann SPD und PDS auf eine Koalition. Während einer turbulenten Sitzung wählte das Berliner Parlament schließlich im Januar 2002 einen neuen Senat mit Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister und Gregor Gysi als seinen Stellvertreter. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 244 ff.)
Meyer, Holger: „Do Green Parties Matter?“ – Eine vergleichende Analyse am Beispiel des Niedersächsischen Umweltministeriums.
In der sozialwissenschaftlichen Umweltpolitikforschung gilt die „Do parties matter?-Frage“ bisher als nur unzureichend untersucht. Prominente Umweltpolitologen vertreten die Auffassung, dass den Parteien als Erfolgsfaktor für die Institutionalisierung von Umweltpolitik nur eine marginale Bedeutung zukommt. Die vorliegende Analyse zeigt am Beispiel des Niedersächsischen Umweltministeriums im Zeitraum von 1986 bis 1998 jedoch eindeutig, dass Unterschiede in der Ausstattung des Landesumweltressorts mit der jeweiligen parteipolitischen Zusammensetzung der Landesregierung in Verbindung stehen. Insbesondere während der rot-grünen Regierungszeit zu Beginn der 1990er Jahre wurde das Niedersächsische Umweltministerium institutionell gestärkt. Grundsätzlich trifft es zu, dass angemessene personelle und finanzielle Ressourcen die Grundvoraussetzung für die Entwicklung und Umsetzung erfolgreicher Umweltpolitiken bilden. Darüber hinaus hängt die Position des Umweltressorts bei interministeriellen Machtkämpfen nicht zuletzt von dessen Ausstattung ab. Die Fallstudie zeigt sowohl den unmittelbaren parteipolitischen Einfluss auf die ministeriellen Kapazitäten im Umweltbereich als auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen für den Policy-Output auf. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 261 ff.)
Zohlnhöfer, Reimut: Das italienische Parteiensystem nach den Wahlen: Stabilisierung des fragmentierten Bipolarismus oder Rückkehr zur „ersten Republik“?
Die Analyse des italienischen Parteiensystems nach 1996 verdeutlicht, dass zumindest oberflächlich eine Stabilisierung des fragmentierten Bipolarismus stattgefunden hat. Diesem stehen aber eine Reihe von Hindernissen entgegen, insbesondere das Fehlen einer institutionellen Abstützung des Bipolarismus durch eine reformierte Verfassung oder ein neues Wahlrecht, die nach wie vor hohe Fragmentierung des Parteiensystems, die hohe Volatilität, die Fragilität der meisten Parteien und der Wahlallianzen sowie die geringe Legitimität der rechten Parteien. Mit diesen Einschränkungen wird man aber dennoch sagen können, dass sich die Entwicklung zu einem bipolaren, wenngleich stark fragmentierten Parteiensystem fortgesetzt hat und eine weitere Stabilisierung jedenfalls möglich erscheint. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 271 ff.)
Reetz, Axel: Die dritten Parlamente der Esten, Letten und Litauer.
Die dritten freien Wahlen 1998 – 2000 in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen seit der Unabhängigkeit 1991 bestätigen die These, dass sich das Baltikum während der letzten Dekade zur „Vielfalt trotz ähnlicher Geschichte“ ausdifferenziert hat. Allerdings zeigen sich in allen drei Staaten noch typische Charakteristika osteuropäischer Transformationsprozesse: Die Konsolidierung des zersplitterten Parteiensystems schreitet voran, ist aber noch längst nicht abgeschlossen; die Postkommunisten auch der baltischen Staaten sind nach wie vor eine ernst zu nehmende Kraft; (rechts-)populistische und patriotische Bewegungen finden weiterhin günstige Gelegenheitsstrukturen vor, wobei die Spitzen des populistischen Phänomens jedoch gebrochen zu sein scheinen. Insgesamt sind die Parteiensysteme in Estland, Lettland und Litauen noch wenig gefestigt; dauerhafte Cleavages, um die sich die Parteien gruppieren könnten, haben sich bisher nicht herausgebildet. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 290 ff.)
Minkenberg, Michael: Die radikale Rechte in den Transformationsgesellschaften Mittel- und Osteuropas: Konzept, Konturen und Kontext.
Bei der radikalen Rechten in Mittel- und Osteuropa nach 1989 handelt es sich weder um die Rückkehr einer prä-demokratischen und prä-kommunistischen Vergangenheit noch um die Entsprechung zur heutigen radikalen Rechten Westeuropas. Die dominanten Kräfte der radikalen Rechten in den Transformationsländern unterscheiden sich ideologisch und strukturell von den meisten Varianten im Westen: ideologisch, weil sie extremer und offener anti-demokratisch sind; strukturell, weil sie besser als Phänomen einer sozialen Bewegung denn als dasjenige einer Partei umschrieben werden können. Neben der je landesspezifischen Geschichte und den ebenfalls spezifischen Gelegenheitsstrukturen bietet die wirtschaftlich-politische Regimetransformation als vielschichtiger Modernisierungsprozess den Rahmen für die Analyse der radikalen Rechten in Mittel- und Osteuropa. Der aus der Transformation resultierende Stress sowie besonders die in einer Reihe von Ländern noch nicht vollendeten Demokratisierungs- und Konsolidierungsprozesse der neuen Regime bieten der radikalen Rechten Osteuropas auf der einen Seite Mobilisierungschancen, die in westeuropäischen Demokratien nicht existieren. Auf der anderen Seite sind die Chancen zur Umwandlung der vielfältigen Bewegungen und Gruppen in stabile politische Parteien und entsprechende Wahlerfolge begrenzt. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 305 ff.)
Hummer, Waldemar: Vom Grundrechte-Konvent zum Zukunfts-Konvent. Semantische und andere Ungereimtheiten bei der Beschickung des „Konvents zur Zukunft Europas“.
Nachdem sich die so genannte „Konventsmethode“ bereits bei der Ausarbeitung der EU-Grundrechtecharta im Jahre 2000 bewährt hatte, wurde sie vom Europäischen Rat von Laeken vom 14./15. Dezember 2001 auch für die Ausarbeitung des Textes eines zukünftigen Verfassungsvertrages für die Europäische Union vorgesehen. Dieser so genannte „Verfassungs“- oder „Zukunftskonvent“ tagt vom 28. Februar 2002 bis voraussichtlich Juni 2003 und soll für die 2004 vorgesehene Regierungskonferenz zur Novellierung der Gründungsverträge einen „Verfassungs“-Entwurf vorlegen. Dem Konvent zur Zukunft Europas kommt große Bedeutung zu, wird er doch, ganz gleich wie sein Ergebnis ausfallen wird, wichtige Weichen für die weitere Entwicklung der EU stellen. Umso bedauerlicher ist es, dass es bereits bei der Beschickung des Konvents zu einer Reihe politischer Unstimmigkeiten gekommen ist, die in der rücksichtslosen Durchsetzung eines zusätzlichen italienischen Konventsvertreters, des europafeindlichen AN-Vorsitzenden Gianfranco Fini, durch Ministerpräsident Silvio Berlusconi ihren unrühmlichen Höhepunkt fand. Dabei handelte es sich um mehr als einen „Sturm im Wasserglas“. Die zahlreichen Ungereimtheiten bei der Konstituierung des Konvents könnten dessen Arbeit nachhaltig belasten. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 323 ff.)
Günther, Carsten A.: Der Verfassungsvertrag – ein Modell für die Europäische Union?
Im Rahmen der nächsten Regierungskonferenz, welche derzeit von einem eigens hierzu einberufenen EU-Reform-Konvent vorbereitet wird, will sich die Europäische Union einer – möglicherweise – grundlegenden Erneuerung unterziehen. Fundament dieser erneuerten Union soll nach vielerlei Vorstellung ein Verfassungsvertrag sein. Über dessen Inhalt wird gegenwärtig und erwartungsgemäß auch in der näheren Zukunft viel gestritten werden. Weniger Beachtung scheint die Frage zu erlangen, was genau man sich unter einem Verfassungsvertrag vorzustellen hat. Ist er Verfassung, Vertrag oder gar beides zugleich? Mit dieser Problematik setzt sich der folgende Beitrag auseinander. Nach einem Blick auf den gegenwärtigen verfassungs- und vertragsrechtlichen Status quo der Union wird das Augenmerk auf den Gestaltungsspielraum der in Brüssel tagenden „Verfassungsvertragsväter“ gelenkt. Ob der Verfassungsvertrag tatsächlich seiner begrifflichen Kompromissstellung zwischen Verfassung und Vertrag auch vor einem rechtswissenschaftlichen Hintergrund gerecht werden kann, wird im Hinblick auf Fragen der Staatlichkeit und Souveränität kritisch beleuchtet. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 347 ff.)
Meyer, Jürgen und Sylvia Hartleif: Die Konventsidee.
Am 28. Februar 2002 hat in Brüssel der „Europäische Konvent“ seine Arbeit aufgenommen. Unter Leitung des ehemaligen französischen StaatspräsidentenValerie Giscard d’Estaing beraten seither 105 Delegierte der Parlamente und Regierungen der EU-Mitgliedstaaten beziehungsweise Beitrittsländer, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission über die zukünftigen Aufgaben der Europäischen Union. Das öffentliche und transparente Beratungsverfahren ist eine entscheidende Neuerung der Methode zu Reform der Europäischen Verträge und kann in den nächsten Monaten den Grundstein für eine künftige Verfassung der EU legen. Ausschlaggebend wird sein, ob es dem Konvent gelingt, mit deutlicher Mehrheit ein stimmiges Reformkonzept für mehr Demokratie durch mehr Bürgernähe und größere Handlungsfreiheit der EU nach der bevorstehenden größten Erweiterung ihrer Geschichte vorzulegen. Ein solches Arbeitsergebnis wird eine wichtige Grundlage für die Legitimität der künftigen EU-Verfassung sein, die nicht nur vom Inhalt ihrer Regelungen abhängt, sondern auch von dem Verfahren, mit dem sie erarbeitet wird. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 368 ff.)
Marschall, Stefan: „Niedergang“ und „Aufstieg“ des Parlamentarismus im Zeitalter der Denationalisierung.
Parlamentarismus wird von einigen Analytikern als Auslaufmodell gehandelt: Ein „postparlamentarisches“ Zeitalter sei angebrochen. Die Auflösung der Nationalstaaten in Folge der Europäisierung und Globalisierung wird als entparlamentarisierender Faktor gesehen. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass jenseits der Nationalstaaten in der Programmatik sowie in institutionellen Arrangements auf Parlamentarismus als politisches Gestaltungsprinzip zurückgegriffen wird. Dies gilt vor allem für die Europäische Union, aber auch für intergouvernementale Organisationen. Die Auseinandersetzung mit diesen beiden scheinbar gegenläufigen Entwicklungen zeigt die Perspektiven des Parlamentarismus in einer denationalisierten Welt auf. (ZParl, 33. Jg., H. 2, S. 377 ff.)