Abstracts 1/2009 deutsch

Röper, Erich: Europapolitische Bundesratsbeschlüsse ohne demokratisch-parlamentarische Kontrolle.
Die demokratisch-parlamentarische Kontrolle der EG-Organe war ein Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag. Sie betrifft vor allem den Ministerrat. Während die Stellungnahmen des Bundestages in den Verhandlungen des Ministerrats durch die Bundesregierung zu berücksichtigen sind, ist die Auffassung des Bundesrates von Verfassung wegen maßgeblich zu berücksichtigen, wenn Kompetenzen der Länder berührt werden. Geht es um ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, vertritt ein Bundesratsvertreter Deutschland im Ministerrat – und zwar ohne jede demokratisch-parlamentarische Kontrolle. In beiden Fällen Änderungen herbeizuführen, könnte ein Ergebnis des Urteils zum Lissabon-Vertrag sein. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 3 ff.]

Schmitt-Beck, Rüdiger und Thorsten Faas: Die hessische Landtagswahl vom 27. Januar 2008: Wiederkehr der „hessischen Verhältnisse“.
Hatte die CDU 2003 noch eine Alleinregierung bilden können, so erlebte Hessen 2008 eine Neuauflage der aus den 1980er Jahren bekannten besonderen „Verhältnisse“. Der Wahl 2008 ging ein Lagerwahlkampf mit polarisierenden Angriffskampagnen (und den Schwerpunkten Bildung, soziale Gerechtigkeit und Ausländer-/Jugendkriminalität) sowie klaren Koalitionsaussagen (CDU/FDP vs. SPD/Grüne) voraus. Im Zuge dessen konnte die SPD unterAndrea Ypsilanti deutliche Stimmengewinne verbuchen, während die Union unter Ministerpräsident Roland Koch an Unterstützung verlor, jedoch mit hauchdünnem Vorsprung stärkste Partei blieb. Die FDP löste die Grünen als dritte Kraft im Land ab, mit der Linkspartei zog eine fünfte Fraktion in den Wiesbadener Landtag ein. Die traditionelle Polarisierung der hessischen Politik schloss eine Große Koalition aus, andere Zweierkoalitionen hatten keine Mehrheit, Dreierverbindungen kamen nicht zustande. Die amtierende CDU-Alleinregierung blieb daher geschäftsführend im Amt. In dieser Situation entschied sich die SPD dafür, trotz zuvor im Wahlkampf eindeutig erklärter Ablehnung eines solchen Bündnisses eine Kooperation mit der Linkspartei anzustreben. Zwei Versuche, eine tolerierte rot-grüne Regierung zu bilden, scheiterten jedoch, weil einzelne SPD-Abgeordnete die Gefolgschaft verweigerten. Nach der endgültigen Implosion dieses Projektes blieb nur noch der Weg zu Neuwahlen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 16 ff.]


Schultze, Rainer-Olaf und Jan Grasnick: Die bayerische Landtagswahl vom 28. September 2008: Betriebsunfall oder Ende eines Mythos?
Bei der Wahl vom 28. September 2008 büßte die bis dato mit einer Zweidrittelmehrheit regierende CSU 17,3 Prozentpunkte ein und blieb mit 43,4 Prozent deutlich hinter dem selbst gesteckten Ziel der Stimmen- und Mandatsmehrheit zurück. Die bayerischen Wähler lösten damit einen Erdrutsch mit vielfältigen und tiefgehenden personellen und sachpolitischen Kon-sequenzen aus, denn im nunmehr Fünf-Fraktionen-Parlament ist die CSU erstmals seit 46 Jahren auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die Autoren sehen nicht nur situative und konjunkturelle Gründe für die verheerende Niederlage der „bayerischen Staatspartei“; viel mehr bekommt nun auch sie die Konsequenzen der von ihr selbst betriebenen Modernisierung und des sozialen Wandels zu spüren. Fragmentierte Wählerschaften mit hoher Wechselbereitschaft stellen die Parteien vor schwere Aufgaben im Wettbewerb; noch gravierender werden wohl künftig die Herausforderungen an ihre Kompromissbereitschaft werden, wenn es darum geht, zu stabilen Regierungsmehrheiten zu gelangen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 34 ff.]

Fürnberg, Ossip und Danko Knothe: Wahlsiege ohne Stimmenmehrheit: Auswirkungen von verstärktem „Lagersplitting“ auf Mandatsverteilung und Koalitionsoptionen.
Anhand der Ergebnisse der Bundestagswahl 2005 werden die Folgen erhöhten Stimmensplittings innerhalb politischer Lager haben untersucht. Dazu werden die Erst- und Zweitstimmenanteile von Unionsparteien und FDP einerseits sowie SPD und Bündnis 90/Die Grünen andererseits auf Wahlkreisebene zusammengefasst und systematisch höhere Splittingniveaus als im Bundestagswahlergebnis experimentell simuliert. Die Ergebnisse zeigen mandatsrelevante Folgen in erheblichem Ausmaß. Die vom Bundesverfassungsgericht als maßgeblich betrachtete Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen wäre massiv beeinträchtigt. Die Veränderung der Fraktionsstärken und der Größe des Parlaments – die bei gleichbleibenden Stimmenanteilen von Schwarz-Gelb und Rot-Grün zustande kommen – gehen unmittelbar auf die Möglichkeit zurück, durch verstärktes Lagersplitting Überhangmandate zu „erzeugen“. Daraus könnten bei sehr stark erhöhten Splittingniveaus Wahlsiege ohne Mehrheiten an den Wahlurnen resultieren. Eine Reform des deutschen Wahlsystems ist nicht nur wegen dieser ausgleichlosen Überhangmandate dringlich erforderlich. Dazu diskutieren die Autoren drei Reformoptionen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 56 ff.]

Hanschmann, Felix: „Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende“ – eine rechtliche (Neu-)Bewertung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige.
Zahlreiche politische Initiativen und Absichtserklärungen der jüngeren Vergangenheit befassen sich mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige, ohne dass es diesbezüglich bisher zu konkreten Gesetzesvorhaben gekommen ist. In der juristischen Diskussion wird die rechtliche Zulässigkeit des kommunalen Wahlrechts für Nichtdeutsche häufig mit dem pauschalen Verweis auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989, in denen das Gericht die Einführung eines solchen Wahlrechts in Hamburg und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärte, verneint. Völker-, europa- und verfassungsrechtliche Entwicklungen der vergangenen zwanzig Jahre haben aber das argumentative Gebäude, das diesen beiden Entscheidungen zugrunde liegt und dem der weitaus größte Teil der Literatur bis heute folgt, massiv erschüttert. Insbesondere die aufgrund supranationaler Vorgaben erfolgte Änderung des Art. 28 Abs. 1 GG, aber auch die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts bei Wahlen zum Europäischen Parlament sowie die Entstehung völkerrechtlich abgestützter transnationaler Angehörigkeitsverhältnisse, die unterhalb der Staatsangehörigkeit einen spezifischen Rechtsstatus verleihen, führen zu einer Neubewertung: Das kommunale Wahlrecht auch für Drittstaatsangehörige ist rechtlich zulässig. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 74 ff.]

Hermsdorf, Fred: Demokratieprinzip versus Erfolgswertgleichheit. Verfahren der Mehrheitstreue bei Parlamentswahlen.
Bei der Berechnung der Parlamentszusammensetzung anhand des Wahlergebnisses stehen bei der Methode der Mehrheitstreue die Abbildung aller möglichen Koalitionen und die Nähe zur Proportionalität im Vordergrund. Mit den im Beitrag dargestellten mathematischen Verfahren können beide Forderungen weitgehend erfüllt werden. Dadurch, dass jede durch den Wähler ermöglichte Koalition im Parlament wiederzufinden ist, wird das Mehrheitsprinzip als Grundlage jedes demokratischen Entscheidungsprozesses sichergestellt. Die Anwendung der durch die mathematischen Untersuchungen gefundenen Ergebnisse auf Parlamente mit fünf Fraktionen und auf die Wahlergebnisse zu den Bundestagswahlen bis 2005 verdeutlicht die Aussagen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 86 ff.]

Hartleb, Florian: Gegen Globalisierung und Demokratie. Die NPD als eine neue soziale Bewegung im europäischen Kontext?
Die lange bedeutungslose NPD hat sich modernisiert und in programmatischer Hinsicht internationalisiert. Als eine neue soziale Bewegung betreibt die Partei eine aktive Demonstrationspolitik, die in manchen ostdeutschen Regionen auf fruchtbaren Boden fällt. Allerdings sind ihr bundesweit Grenzen gesetzt, bedingt durch eigene Schwäche und die heute noch bedeutsame deutsche Vergangenheit beziehungsweise die Folgen des totalitären Nationalsozialismus. Der Bewegungsmythos der NPD bezieht sich auf die Globalisierungsprozesse in den europäischen Demokratien: In rigider Form antwortet die Partei auf die wirtschaftliche, politische und kulturelle Dimension der Globalisierung. Bei einer genaueren Analyse steht sie damit in Kontinuität zum Nationalsozialismus. Im europäischen Kontext ist diese besondere Erscheinungsform kein Einzelfall. Internationale Entwicklungen im Rechtsextremismus lassen auf einen neuen, bewegungsförmigen Faschismus schließen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 96 ff.]

Gruber, Andreas K.: Die Karriere-Katalysatoren. Zur Karrierefunktion der Parteijugendorganisationen.
Roland Koch, Guido Westerwelle oder Andrea Nahles sind prominente Beispiele einflussreicher Politiker, die nach hohen Funktionen in der Parteijugend auch in ihrer Partei aufstiegen. Um die Bedeutung der Jugendorganisationen in ein allgemeines Konzept politischer Karriereverläufe einzuordnen, wird ein Phasenmodell politischer Karrieren entwickelt, das sich auf die politischen Werdegänge von 134 deutschen Spitzenpolitikern und 81 jungen Bundes- und Landtagsabgeordneten stürzt. Danach binden die Jugendorganisationen frühzeitig politisch interessierte Bürger an die jeweilige Partei; ihre Mitglieder erreichen häufiger und schneller strategische Parteiämter. Ehemalige Jugendfunktionäre sind insgesamt beim Wechsel in die Berufspolitik vergleichsweise jung. Die große Mehrheit der Spitzen- und Nachwuchspolitiker sieht die Mitarbeit in den Jugendorganisationen als hilfreich für die eigene Laufbahn an, ein großer Teil sogar als unabdingbar. Insgesamt betrachtet, spielen die Jugendorganisationen eindeutig die Rolle des Startpunkts und Katalysators politischer Laufbahnen. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 109 ff.]

Cordes, Malte: Medienbeteiligungen politischer Parteien – zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2008 – 2 BvF 4/03.
Mit einer Welle von Gesetzesinitiativen versuchten unionsregierte Bundesländer, den Einfluss von Parteien in den Medien zurückzudrängen. Insbesondere CDU und FDP sehen durch die Medienbeteiligungen politischer Parteien die Glaubwürdigkeit der Demokratie und die Unabhängigkeit der „vierten Gewalt“ gefährdet. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts gelangte in seiner Entscheidung zum Hessischen Privatrundfunkgesetz indes zu dem Schluss, dass ein absolutes Verbot für Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltungen zu beteiligen, verfassungswidrig sei. Allerdings werden durch die Presse- und Rundfunkbeteiligungen nicht unerhebliche Einnahmen erzielt, die sich auch auf die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb auswirken. Außerdem ist die Gefahr gegeben, dass die parteiinduziert veröffentlichte Meinung als öffentliche Meinung, als Produkt des öffentlichen Diskurses, ausgegeben wird. Schließlich ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bedenken ausgesetzt, weil sie mögliche Interessenkonflikte zwischen den Parteien und den Landesmedienanstalten sowie den Streubesitz im Rundfunk und damit verbundene statistische Phänomene unberücksichtigt lässt. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 123 ff.]

Limpert, Martin: Das rechtliche Ende politischer Parteien: Auflösung und Verschmelzung.
Das Parteiengesetz kennt vier Formen des Erlöschens von Parteien: Selbstauflösung, Zwangsauflösung in einem Parteiverbotsverfahren, Auflösung kraft Gesetz und Verschmelzung. Mit ihrer Auflösung erlischt die Partei, und zwar die Gesamtpartei und ihre Gliederungen. Ebenso wie ihre Selbstauflösung im freien Ermessen einer Partei liegt, kann sie sich anschließend wieder neu gründen. Demgegenüber ist es verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen einer vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Partei an deren Stelle weiter verfolgen, oder bestehende Organisationen als Ersatz fortzuführen. Eine Vereinigung verliert ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl teilgenommen hat. Bei der Verschmelzung zur Partei Die Linke ist die aufnehmende Partei die Linkspartei.PDS gewesen, so dass rein zivilrechtlich die neue Partei Die Linke mit der PDS rechtsidentisch ist. Dennoch ist eine neue Partei entstanden, nämlich nach ihrem erklärten Willen, der verfassungsrechtlich nicht ignoriert werden kann. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 140 ff.]

Edinger, Florian: Abwahl einer Schriftführerin nach Austritt aus ihrer Fraktion. Zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 3. Dezember 2007 – Lv 12/07.
Eine Schriftführerin des Saarländischen Landtags trat aus ihrer Fraktion und Partei aus und trat in die Partei Die Linke über, die nicht im Landtag vertreten war. Daraufhin ersetzte der Landtag sie als Schriftführerin und Präsidiumsmitglied durch ein anderes Mitglied der betreffenden Fraktion. Dagegen klagte sie vor dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes. Dieser wies ihren Antrag zurück, denn im Saarland sind die Schriftführer Teil des Präsidiums. Die Verfassung sieht vor, dass das Präsidium „unter Berücksichtigung der verschiedenen Fraktionen“ besetzt wird. Nach dem Gesetz über den Landtag werden die Mitglieder des Präsidiums zwar „für die Dauer der Wahlperiode“ gewählt, aber das schließt eine Abwahl nicht aus. Die Entscheidung zeigt, dass sich der Fraktionsproporz auch bei den Leitungsgremien der Parlamente durchsetzt. Eine ausdrückliche Regelung der Abwahl, wie sie viele Landesparlamente bereits haben, erscheint ratsam. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 155 ff.]

Deter, Gerhard: Das Gedächtnis der Politik – Die Pressedokumentation des Deutschen Bundestages.
Die Pressedokumentation des Bundestages besteht bereits seit 1949. Aufgabe der Mitarbeiter dieses Referates der Bundestagsverwaltung ist es, aus einem festgelegten Katalog von Zeitungen und Zeitschriften jene Artikel auszuwählen, die die wesentlichen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignisse des Tages widerspiegeln und für die parlamentarische Arbeit von Relevanz sein können. Diese Artikel werden in einer täglich erstellten Pressemappe zusammengefasst, um das Parlament, sein Präsidium, seine Ausschüsse und die Mitarbeiter möglichst umfassend zu informieren. Das digital nutzbare Pressearchiv verfügt über nicht weniger als 25 Millionen Presseausschnitte. Damit ist die Pressedokumentation des Bundestages eine der bedeutendsten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 160 ff.]

Dieter Nohlen: Erfolgswertgleichheit als fixe Idee oder: Zurück zu Weimar? Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Bundeswahlgesetz vom 3. Juli 2008.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2008 das Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland in Teilen für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen. Das Gericht befand das negative Stimmgewicht, das im Zuge der Verrechnung der in den Wahlkreisen errungenen Direktmandate mit den in den Bundesländern auf die Parteien entfallenen Listenmandaten auftreten kann, mit dem Grundsatz der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl unvereinbar. Während man dem Urteil zustimmen kann, da in der Tat der Wähler bei der jetzigen Verrechnung nicht sicher sein kann, ob seine Stimme womöglich eine seiner Wahlabsicht entgegengesetzte Wirkung entfaltet, und es dem Wahlsystem folglich an Legitimität sichernder Transparenz mangelt, ist die Begründung des Gerichts wahlsystemtheoretisch in hohem Maße bedenklich. Sie fußt nämlich konzeptionell auf teils überholten, teils dogmatischen Wahlrechtsvorstellungen, die weitergehend sogar ein Zurück zur reinen Verhältniswahl von Weimar begründen können. Bei der anstehenden Reform des Wahlsystems gilt es gegenzusteuern und dem Wahlsystem jene Wirkungen zu erhalten oder zu verstärken, die eine Konzentration im Wählerverhalten und im Parteiensystem erleichtern. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 179 ff.]

Bernhardt, Otto und Anne Deter: Zum Erfolg verurteilt. Die Willensbildung in der großen Koalition seit 2005 am Beispiel der Finanzpolitik.
Die seit 2005 auf Bundesebene bestehende große Koalition könnte für die nächsten Jahre ein Leitbild für ähnliche Konstellationen auf Landesebene und in Zukunft im Bund sein. Betrachtet man dieses Bündnis näher, zeigt sich: Große Koalitionen sind ein Zweckverband mit besonderen Spielregeln. Beide bisherigen großen Koalitionen auf Bundesebene eint die Überzeugung, dass sie nicht vorzeitig scheitern dürfen, um den latenten Unmut in der Bevölkerung über das demokratische System nicht zu stärken und den Parteien am Rande des politischen Spektrums nicht weiteren Zulauf zu bescheren. Daher sind Kompromisse letztlich das einzige Mittel, um tragfähige Ergebnisse zu erhalten. Um diese herbeizuführen, haben sich auf allen Ebenen, sowohl innerhalb der beiden Fraktionen als auch zwischen ihnen, informelle Gremien zusammengefunden, die mehr oder minder institutionalisiert tagen, wie sich am verallgemeinerungsfähigen Beispiel der Finanzpolitik paradigmatisch zeigen lässt. Willensbildungsprozesse außerhalb der strikten Trennung von Exekutive und Legislative sind (nicht nur) in großen Koalitionen mehr oder minder Normalität. [ZParl, 40. Jg., H. 1, S. 196 ff.]

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