Abstracts 2/2009 deutsch

Horst, Patrick: Der historische Wettbewerb der Demokraten um die US-Präsidentschaftskandidatur 2008: Barack Obamagegen Hillary Clinton.
Die Auswahl des Demokratischen Präsidentschaftsbewerbers in der ersten Jahreshälfte 2008 war in mancherlei Hinsicht bedeutsamer als die eigentliche Wahl im November: Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde hier der nächste Präsident der USA gewählt werden – und erstmals in der Geschichte der USA würde dies entweder eine Frau oder ein Schwarzer sein. Am Ende ging nicht die Gewinnerin der „unsichtbaren Vorwahl“ Hillary Clinton, sondern ihr KonkurrentBarack Obama als Sieger aus dem historischen Wettbewerb hervor. Neben Geschick und Fortüne hatte Obama seinen Erfolg auch der Tatsache zu verdanken, dass er den Fallstricken der Identitätspolitik besser entkam als Clinton. Weißer Rassismus war für Obama nicht länger ein Hindernis; den für ihn gefährlicheren „Rassismus in den Köpfen“ einer älteren Generation schwarzer Politiker und Prediger überwand er durch den Erfolg seiner Kampagne. Clintondagegen schien in den „sexistischen“ Rollenzuschreibungen der amerikanischen Gesellschaft, der Medien und sogar ihrer eigenen Wahlkampagne gefangen zu sein: Nur in ganz seltenen Augenblicken konnte sie ihrem als First Lady erworbenem „Altlasten-Problem“, als „Emanze“ wahrgenommen zu werden, entkommen. Mit ihrer „masculine-gendered campaign“ verfestigte sie das zum Klischee geronnene Bild ihrer selbst und brachte die Demokratischen Superdelegierten, die den Ausgang der Wahl entschieden, gegen sich auf. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 259 ff.]

Kolkmann, Michael: Winning But Falling Short? Die Wahlen zum US-Kongress vom 4. November 2008: Erneuter Sieg der Demokratischen Partei.
Die Kongresswahl 2008 ist mit einem erneuten Sieg der Demokratischen Partei zu Ende gegangen. Bedingt durch eine Reihe von Rücktritten auf Seiten der Republikaner, einer insgesamt als negativ empfundenen Wahlkampfsituation für die Republikaner, durch Amtsbonus und den Neuzuschnitt weitgehend „sicherer“ Wahlkreise konnten die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses ihre Mehrheiten ausbauen. Im Senat verfehlen die Demokraten derzeit die Marke von 60 Sitzen, die in Zukunft Republikanische Blockademöglichkeiten verhindern könnte (sollte die Senatswahl in Minnesota nicht zeitnah im Sinne der Demokraten entschieden werden). Es werden neben den konkreten Ergebnissen, die Sozialstruktur und die teilweise Neubesetzung der Führungspositionen im Kongress beleuchtet. Die Republikanische Fraktion ist konservativer und die Demokratischen Fraktion – nicht zuletzt aufgrund der Blue Dogs Democrats – linksliberaler geworden. Dies dürfte die überparteiliche Kompromissbildung – ein zentrales WahlkampfthemaBarack Obamas – in Zukunft weiter beeinträchtigen. Derzeit ist (noch) nicht absehbar, ob der Kongress entgegen des politikwissenschaftlichen Befunds einer „broken branch“ (Thomas E. Mann Norman J. Ornstein) in den nächsten beiden Jahren verstärkt Handlungs- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Exekutive zurückgewinnen kann. Für die nächsten Kongresswahlen im November 2010 sind die Aussichten der Demokraten, ihre Mehrheiten zu behaupten sowie eventuell auszubauen, nicht schlecht, so dass Präsident Obama voraussichtlich die gesamte erste Amtszeit über auf einen Demokratisch kontrollierten Kongress zählen kann. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 280 ff.]


Kornelius, Bernhard: Die US-Präsidentschaftswahl vom 4. November 2008. Obamas Zeitenwende: Der Sieg allein ist nicht der Wechsel.
Am 4. November 2008 wurde in den USA Geschichte geschrieben. Nach acht kontroversen Jahren Bush-Administration, einer langen und stark polarisierenden Vorwahlphase sowie der teuersten Kampagne aller Zeiten vollzog sich mitten in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise ein spektakulärer Wechsel. 44. Präsident der Vereinigten Staaten wurde Barack Obama – zum ersten Mal hatten die Amerikaner einen farbigen Kandidaten gewählt. Die Demokraten eroberten – flankiert von Erfolgen in Senat und Repräsentantenhaus – nach zwei knappen Niederlagen in den Jahren 2000 und 2004 das Weiße Haus zurück. Unabhängig von der politischen Tragweite und der hohen Symbolik war das Wahlergebnis per se weniger spektakulär: Der Sieg des Demokraten Obama über seinen republikanischen Gegenkandidaten John McCainfiel zwar deutlich, aber nicht überragend aus. Die Gründe für das Abschneiden beider Protagonisten sind vielschichtig und wie bei praktisch jeder demokratischen Wahl keinesfalls nur bestimmten sozialdemographischen Gruppen, situativen Faktoren oder einem singulären Ereignis zuzuschreiben. Ein substanzielles Realignment in der US-amerikanischen Wählerschaft hat nicht stattgefunden. Vielmehr haben die politisch-administrativen Ausgangslage und die ökonomischen Bedingungen den in weiten Bevölkerungsteilen verbreiteten Wunsch nach einem grundsätzlichen Politikwechsel forciert. Der Kandidat der Republikaner, McCain, stand tendenziell für Kontinuität der Bush-Administration. Barack Obama versprach hingegen den Wechsel zu einem anderen, zu einem neuen politischen Amerika. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 296 ff.]

Falke, AndreasBarack Obamas Dilemma: Krisenmanager oder Reformer? Regierungsprogramm und Regierungsbildung 2009.
Präsident Barack Obama ist zum Amtsantritt mit einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise konfrontiert. Gleichzeitig verfolgt er ein ehrgeiziges Programm struktureller Reformen in den Bereichen Gesundheit, Klimaschutz, Energieeffizienz, Bildung und Verringerung sozialer Ungleichheit, die sowohl in seinem Konjunkturpaket und seiner Budgetvorlage einen deutlichen Niederschlag gefunden haben. Allerdings ist der Finanzsektor noch nicht stabilisiert und die Klimaschutz- und Gesundheitspolitik stoßen auf politische Widerstände und budgetäre Grenzen.Obama läuft Gefahr, mit der gleichzeitigen Verfolgung von Krisenbekämpfung und Strukturreformen seine Agenda zu überfrachten und seine Präsidentschaft zu beschädigen. Vorerst jedoch kann Obamas Charisma alle Schocks kleiner politischer Rückschläge absorbieren. Bringt er jedoch die Finanzkrise nicht unter Kontrolle, wird seine Regierung in den Sog der Krise geraten. Obama hat ein eindrucksvolles Regierungsteam zusammengestellt, doch ist auch sein Regierungsbildungsprozess nicht ganz frei von Reibungsverlusten und Verzögerungen geblieben, die für die Regierungsbildung im amerikanischen System typisch sind. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 317 ff.]

Kühne, Alexander: Gestärkte Position des US-Präsidenten durch das Line-Item Veto. Erfahrungen aus der zweiten Clinton-Administration.
Die Diskussionen zur Haushaltskonsolidierung ein Line-Item Veto einzuführen, sind im Regierungssystem der USA nicht neu. Präsident Bill Clinton erhielt am 1. Januar 1997 das Recht, sein Veto nicht mehr nur gegen komplette Bewilligungsgesetze einlegen zu können, sondern auch einzelne Passagen aus Haushaltsgesetzen zu streichen. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit übte er das selektive Veto erstmals am 11. August 1997 und bis zum Urteilsspruch des Supreme Courts am 25. Juni 1998 regelmäßig aus. Er nahm in elf Gesetzen insgesamt 82 Annullierungen vor und nutzte es aus programmatischen und parteipolitischen Motiven. Zur intendierten Haushaltskonsolidierung trug es jedoch nicht bei. Viel bedeutender sind die Veränderungen der Machtbalance zwischen Präsident und Kongress, die mit dem Line-Item Veto einhergehen. Auch wenn Wandlungen des Legislativ-Exekutiv-Verhältnisses schon in der Verfassung der USA angelegt sind, erlaubt sie nicht, dass der Präsident Gesetze einseitig verändert oder aufhebt. Die haushaltspolitische Autorität liegt bei der Legislative und kann nicht teilweise an die Exekutive abgegeben werden – eine herausgehobene Stellung des Präsidenten im Haushaltsprozess ist nicht vorgesehen. Mit dem selektiven Veto hatte der Kongress dem Präsidenten jedoch genau diese übertragen. Die Art und Weise, in der Clinton das Line-Item Veto nutzte, lässt auf den Gebrauch zukünftiger Präsidenten schließen. In dieser Hinsicht sind die jüngsten Bestrebungen zur Wiedereinführung des Line-Item Vetos zu überdenken. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 337 ff.]

Schmitt-Beck, Rüdiger und Thorsten Faas: Die hessische Landtagswahl vom 18. Januar 2009: der „ewige Koch“.
Die vorgezogene hessische Landtagswahl 2009 folgte weniger als ein Jahr auf den vorangegangenen, regulären Wahlgang. Die Neuwahl wurde notwendig, nachdem – mangels anderer Koalitionsoptionen – zwei Versuche der SPD, eine von der Linkspartei tolerierte rot-grüne Regierung zu bilden, an mangelnder Gefolgschaft in den eigenen Reihen gescheitert waren. Es folgte ein kurzer, aber nicht sehr „knackiger“ Wahlkampf. Dem Desaster der misslungenen Regierungsbildung folgte für die SPD ein Desaster am Wahlabend, von dem aber weniger die Union, sondern FDP und Grüne profitieren konnten; auch der Linkspartei gelang der Wiedereinzug in den Landtag. Bei leicht gesunkener Wahlbeteiligung führte der Urnengang insgesamt zu einem Hessischen Landtag, der zersplitterter ist denn je. Gleichwohl erreichten CDU und FDP die erwartet stabile Regierungsmehrheit. Nach raschen Koalitionsverhandlungen vereinbarten die beiden Parteien ihre dritte Zusammenarbeit in Hessen. Roland Koch wurde wieder zum Ministerpräsidenten gewählt. Als wichtige bundespolitische Implikation folgte daraus, dass die Große Koalition in Berlin künftig im Bundesrat keine eigene Mehrheit mehr hat, sondern auf die Zustimmung von Landesregierungen mit Beteiligung anderer Parteien angewiesen ist. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 358 ff.]

Niedermayer, Oskar: Bevölkerungseinstellungen zur Demokratie: Kein Grundkonsens zwischen Ost- und Westdeutschen.
Eine Analyse der Bevölkerungseinstellungen zur Demokratie muss zwischen drei Ebenen unterscheiden: (1) der Werteebene (allgemeine Idee der Demokratie), (2) der Strukturebene (spezifische Form der demokratischen Ordnung eines Staates) und (3) der Performanzebene (Funktionieren der Demokratie im alltäglichen politischen Prozess). Die getrennte empirische Längsschnittsuntersuchung dieser drei Ebenen zeigt, dass etwa neun von zehn Deutschen der Idee der Demokratie positiv gegenüberstehen. Die durch das Grundgesetz festgelegte spezifische Form der Demokratie erhält weniger Zustimmung, wird aber immer noch von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Mit dem Funktionieren der Demokratie ist die Mehrheit jedoch unzufrieden. Auf allen drei Ebenen zeigt sich, dass die Demokratie von den Ostdeutschen weniger stark unterstützt wird als von den Westdeutschen, sodass von der Herausbildung eines demokratischen Grundkonsenses zwischen Ost und West noch nicht gesprochen werden kann. Dies wird auch durch eine Typologie demokratischer Orientierungen verdeutlicht, die durch die Kombination der Einstellungen zu den drei Ebenen gebildet wurde. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 383 ff.]

Behnke, Joachim: Vertrauen und Kontrolle: Der Einfluss von Werten auf Einstellungen zu politischen Institutionen.
Moderne Demokratien sind überhaupt nur noch in der Form einer repräsentativen Demokratie vorstellbar. Im Kern jeder Demokratietheorie steht daher das Verhältnis von Repräsentant zu Repräsentiertem, das seit John Locke üblicherweise mit dem Begriff des „Trusteeship“ bezeichnet wird. Grundlegend für diese Beziehung ist daher die Frage, inwieweit dieses Vertrauen des Repräsentierten, dass der Repräsentant tatsächlich in seinem Interesse handelt, auch wirklich gerechtfertigt ist. Werte können bei diesem vertrauensbildenden Prozess in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle spielen. Besitzt der Abgeordnete dasselbe Wertegerüst wie der Bürger, so führt dies zu einer stärkeren wechselseitigen Identifikation, die insofern auch Vertrauen schafft, als der Bürger von einer gewissen Interessenähnlichkeit zwischen beiden ausgehen kann. Vertrauen kann aber auch dadurch aufgebaut werden, dass dem Abgeordneten aus Sicht des Wählers Werte zugeschrieben werden, die dessen Vertrauenswürdigkeit als ehrlicher Makler der Interessen des Wählers ausdrücken. Je größer jedoch das diesbezügliche vom Bürger wahrgenommene Wertedefizit des Politikers, desto größer der Mangel an Vertrauen, der durch die Schaffung von mehr Kontrolle kompensiert werden muss. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 397 ff.]

Gabriel, Oscar W. und Lisa Schöllhammer: Warum die Deutschen ihrem Abgeordneten nicht mehr vertrauen als dem Bundestag.
Vor dem Hintergrund der Vertrauenskrise des politischen Systems der Vereinigten Staaten in den 70er Jahren stellte Richard F. Fenno die These auf, die amerikanischen Bürger liebten ihre Abgeordneten mehr als ihren Kongress. Empirische Studien lieferten Belege für diese Annahme. Ist jedoch in Deutschland das Vertrauen in die Institutionen und Akteure des repräsentativen Systems ähnlich beschaffen oder führen die institutionellen und kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zu unterschiedlichen Vertrauensbeziehungen der Bürger in die Politik? Wie Umfragedaten aus dem Jahr 2005 zeigen, vertrauen die Deutschen dem Bundestag mehr als ihren Wahlkreisabgeordneten, am wenigsten vertrauen sie den Angeordneten als Gruppe. Die Differenzen sind aber weniger markant als in den USA. Für das Vertrauen zum Deutschen Bundestag und zu den Wahlkreisabgeordneten sind zudem ähnliche, nur graduell unterschiedliche Faktoren maßgeblich. Als der mit Abstand wichtigste Bestimmungsfaktor erweist sich die Leistungsbewertung. Es fällt für den Bundestag wesentlich positiver aus als für die Wahlkreisabgeordneten. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 414 ff.]

Decker, Frank: Koalitionsaussagen der Parteien vor Wahlen. Eine Forschungsskizze im Kontext des deutschen Regierungssystems.
Koalitionsaussagen sind erst in jüngster Zeit zu einem Gegenstand systematischer Forschungsbemühungen der vergleichenden Regierungslehre geworden. Dies hängt nicht zuletzt mit der unbefriedigenden Datenlage zusammen, da Informationen über das Koalitionsverhalten gerade für weit zurückliegende Wahlen nur schwer zu erlangen sind. Bei der Analyse der Koalitionsaussagen ist nach starken oder schwachen, positiven oder negativen sowie einseitigen oder erwiderten Signalen zu unterscheiden. Ob und in welchem Maße Koalitionsaussagen verbreitet sind, hängt zum einen von den institutionellen Eigenschaften eines politischen Systems (Regierungsform, territoriale Staatsorganisation, Wahlrecht) und zum anderen von dessen politisch-kulturellen Traditionen ab. In der Bundesrepublik zwingen die veränderten Strukturen des Parteiensystems die politischen Akteure heute zu einer größeren Offenheit in ihrem Koalitionsverhalten. Dies zieht auch institutionellen Reformbedarf nach sich, indem zum Beispiel neue informelle Regeln der Regierungsbestellung etabliert oder die bisherige Skepsis gegenüber Minderheitsregierungen abgelegt werden müssten. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 431 ff.]

Bühlmann, Marc, Adrian Vatter, Oliver Dlabac und Hans-Peter Schaub: Demokratiequalität im subnationalen Labor – Anmerkungen zum Beitrag von Sabine Kropp u.a. in Heft 4/2008 der ZParl.
Wir diskutieren den Beitrag von Sabine Kropp, Benedikt Giesbers, Nicole Höhmann, Laura Möllers und Matthias Ruschke (Heft 4/2008 der ZParl). Dieses Autorenteam hat gezeigt, dass sich Vanhanens „Index of Democratization“ nicht eignet, um die Demokratiequalität der deutschen Bundesländer und der Schweizer Kantone zu bestimmen. Sie schlagen deshalb vor, dass künftige Demokratiemaße an subnationalen Einheiten getestet werden sollten. Wir wählen einen alternativen Ansatz, indem wir ein Instrument entwickeln, dass spezifisch für die Messung von Demokratiequalität in subnationalen Einheiten verwendet werden soll. Nach einer Darlegung der Anforderungen, denen ein solches Instrument genügen muss, wird das Konzept eines entsprechenden neuen Instrumentes präsentiert. Dieses kombiniert – basierend auf der Idee einer dualen Messung – Aspekte des liberalen und des radikalen Demokratieverständnisses und soll damit die Qualität der Demokratie in Schweizer Kantonen bestimmen. [ZParl, 40. Jg., H. 2, S. 454 ff.]

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