Kolkmann, Michael: „Return to Unified Government“: Zur Zusammensetzung des US-Kongresses nach den Wahlen vom 8. November 2016.
In den Wahlen zum US-Kongress vom 8. November 2017 konnte die Republikanische Partei ihre Mehrheit in beiden Kammern trotz jeweils leichter Verluste behaupten: Im Repräsentantenhaus büßten die Republikaner sechs und im Senat zwei Sitze ein. Während sie im Repräsentantenhaus vom aktuell gültigen Zuschnitt der Wahlkreisgrenzen sowie der geringer werdenden Zahl an kompetitiven Sitzen profitieren konnten, haben sie sich im Senat in den meisten (und entscheidenden) „battleground states“ durchsetzen können. Insgesamt können die Wahlergebnisse als Bestätigung des Status Quo auf „Capitol Hill“ interpretiert werden, nicht zuletzt die Wiederwahlquoten waren mit 97 (Repräsentantenhaus) beziehungsweise 93 Prozent (Senat) außerordentlich hoch. Die Wahlen von 2016 erwiesen sich somit als ein erfolgreiches Jahr der Amtsinhaber Demokratischer wie Republikanischer Provenienz. Damit kann Präsident Donald Trump zumindest bis zu den Zwischenwahlen im November 2018 in einem „unified government“ regieren. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es ihm gelingen wird, seine legislative Agenda im US-amerikanischen System der „checks and balances“ mit diesen Republikanischen Mehrheiten durchzusetzen, zeigen sich doch bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit Anzeichen für einen Dissens in der eigenen Partei, was die spezifische politische Agenda anbetrifft. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 249 – 270]
Lütjen, Torben: Zeiten des Aufruhrs: Die Vorwahlen zur US-Präsidentschaftswahl 2016 und der Vormarsch der Partei-Außenseiter.
In den US-Vorwahlkämpfen von Demokraten und Republikanern 2016 gerieten vor allem drei Grundgewissheiten über amerikanische Vorwahlkampfe ins Wanken: (1) die Parteien besitzen weitgehend selbst die Kontrolle über die Auswahl; (2) eine dichte Organisationsstruktur mit vielen freiwilligen Helfern, das „ground game“, gibt den Ausschlag in Wahlkämpfen; und (3) Demokraten und Republikaner werden von starken ideologischen Orthodoxien beherrscht, die es notwendig machen, sich zur Kernprogrammatik der Partei zu bekennen. Der Vorwahlkampf 2016 zeigt, wie fragwürdig einige dieser Annahmen erscheinen. Vor allem der Vorwahlkampf der Republikaner bedeutete einen Bruch mit der in den letzten Jahrzehnten geltenden Tradition der Kandidatenauswahl. Bei der Frage, inwiefern es sich beim Triumpf Donald Trumps und dem Beinahe-Triumpf Bernie Sanders tatsächlich um reale populistische Phänomene handelt, kommt man zu einem ambivalenten Ergebnis: Während das Populismus-Label bei Trump eine zutreffende Beschreibung darstellt, ist der Aufstieg von Sanders zum Teil anders zu deuten. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 271 – 286]
Kornelius, Bernhard: Die US-Präsidentschaftswahl vom 8. November 2016: Trumps Triumph.
Überlagert von einer innenpolitischen Agenda, gestützt auf reduziert-postfaktischen Populismus und getragen von Zukunfts- und Abstiegsängsten wurde der Republikaner Donald Trump am 8. November 2016 zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Für Politik und Person im Weißen Haus markiert der Übergang von Barack Obama zu Donald Trump eine signifikante Zäsur. Unterstützt wurde Trump vor allem von Bürgern, die den derzeitigen Kurs der Nation kritisch, Amerikas Zukunft pessimistisch und ihre eigene Finanzlage als verschlechtert bewerteten. Bei hoher Unzufriedenheit mit der Obama-Administration galt er als Mann, der unter dem Primat nationaler Interessen den vermeintlich notwendigen Wechsel einläuten und die Nation wieder „groß“ machen kann. Die demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton konnte dagegen inhaltlich wie persönlich nicht überzeugen und bot als idealtypische Repräsentantin der Politikmaschine Washington D.C. eine ideale Projektionsfläche. Mit einer aggressiven Kampagne schaffte es Trump, in einem vielerorts polarisierten und ideologisch radikalisierten Land eine zunehmende Grundstimmung gegen konventionell-etablierte Politik zu bedienen, zu verstärken und am Ende hocheffizient abzuschöpfen. In den landesweiten Gesamtstimmen („popular vote“) mit fast drei Millionen Stimmen Rückstand auf Clinton, schaffte es Trump mit teilweise äußerst knappen Siegen, den Demokraten sechs „swing states“ abzunehmen, was ihm letztendlich zur Mehrheit im entscheidenden Wahlmännergremium („electoral collage“) verhalf. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 287 – 310]
Franz, Manuel und Florian Gawehns: Drittbewerber bei US-Präsidentschaftswahlen: chancenlos, aber wahlentscheidend?
Die Präsidentschaftswahl am 8. November 2016 hat wieder einmal bestätigt, dass Kandidaten, die außerhalb der Funktionslogik des amerikanischen Zweiparteiensystems operieren, wenig Aussicht auf Erfolg haben. Institutionelle Hürden verhindern, dass Drittbewerber das Duopol aus Demokraten und Republikanern ernsthaft gefährden. Zwar zeigt ein Rückblick auf frühere Präsidentschaftswahlen, dass bedeutsame Stimmanteile für „third party candidates“ im politischen System der USA durchaus möglich sind; sie bleiben jedoch historische Ausnahmen. Aus der politischen Konstellation des Wahljahres 2016 erklärt sich, warum Gary Johnson (Libertarian Party), Jill Stein (Green Party) und der unabhängige Konservative Evan McMullin – trotz des häufig beklagten Repräsentationsdefizits der beiden Großparteien – kein größerer Erfolg beschieden war. Niedrige Bekanntheitswerte und die starke Polarisierung zwischen Hillary Clinton und Donald Trump verhinderten, dass sie zwei unpopulären Kandidaten mehr Stimmen abnehmen konnten. Ohne institutionelle Reformen bleibt es auch in Zukunft unwahrscheinlich, dass Drittbewerber eine kompetitive Rolle im Kampf um das Weiße Haus spielen. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 311 – 328]
Böller, Florian und Markus B. Siewert: 100 Tage Donald J. Trump. Eine frühe Bewertung einer (außer)gewöhnlichen Präsidentschaft.
Eine erste Analyse der Trump-Präsidentschaft nach einhundert Tagen ergibt aus einer vergleichenden Perspektive mit seinen Amtsvorgängern für den Bereich der Innenpolitik einen ambivalenten Befund: So weist die Bilanz sowohl Niederlagen (zum Beispiel gerichtlich gestoppte Erlasse in der Immigrationspolitik, gescheiterte Abstimmung zur Gesundheitsreform) als auch Erfolge (Besetzung des Supreme Courts) auf. Dabei treten die strukturellen Bedingungsfaktoren im politischen System der USA, die auch frühere Präsidentschaften geprägt haben, deutlich zutage. Hierzu zählt nicht zuletzt die extreme parteipolitische Polarisierung. Der Versuch Donald Trumps, den eigenen Handlungsspielraum mittels unilateraler Instrumente zu vergrößern, bestätigt zudem einen bereits vor Trump diagnostizierten Trend. In dieser Hinsicht erscheint Trumps Präsidentschaft eher als gewöhnlich. Ungewöhnlich sind demgegenüber vor allem die Nutzung neuer Kommunikationskanäle zur Verbreitung „alternativer Fakten“, eine von Beginn an polarisierte öffentliche Bewertung seiner Präsidentschaft und der massive Konflikt mit der Presse. Beide Seiten Trumps – die gewöhnliche wie die außergewöhnliche – werden seine Präsidentschaft wohl weit über die ersten hundert Tage hinaus prägen. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 329 – 349]
Pyschny, Anastasia und Daniel Hellmann: Wann ist „sicher“ sicher? Kriterien zur Operationalisierung sicherer Wahlkreise im Vergleich.
Wann ist ein Wahlkreis sicher? Diese Frage ist vor allem für Parteien und Kandidaten von Bedeutung. In der politikwissenschaftlichen Fachliteratur existieren einige Vorschläge, wie Wahlkreissicherheit bemessen werden könnte. Auf Grundlage der Bundestagswahlergebnisse der einzelnen Parteien seit 1998 werden die vorgeschlagenen Kriterien miteinander verglichen und ermittelt, welcher Indikator sich am ehesten eignet, um die Sicherheit eines Wahlkreises anzuzeigen. Ein Erststimmenvorsprung ab 17 Prozentpunkten erweist sich als das geeignetste Messkriterium. Noch spezifischere Prognosen können mit dem nach Parteien differenzierten Kriterium ermittelt werden, dass bei parteisystemischen Schwankungen jedoch anfälliger ist. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 ist die AfD die große Unbekannte. Sie erzielte im Untersuchungszeitraum keine Direktmandate, doch aufgrund ihrer Wahlerfolge bei vergangenen Landtagswahlen, sind Wahlkreisgewinne auch auf Bundesebene denkbar. Die SPD hat nur noch vier sichere Wahlkreise. Weitaus höher ist die Zahl der prognostizierten Wahlkreisgewinne von CDU/CSU: Zahlreiche Kandidaten können sich bereits vor der Bundestagswahl sicher sein, erneut das Direktmandat zu erzielen. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 350 – 369]
Horst, Patrick: Bilanz der Präsidentschaft Barack Obamas: kein transformativer, aber ein effektiver und mutiger Leader.
Barack Obama wollte ein transformativer Präsident nach dem Vorbild Franklin D. Roosevelts sein – das ist er nicht geworden. Obama war in den Kategorien Stephen Skowroneks ein „präemptiver“ Präsident, der dem dominierenden konservativen Regime politische Zugeständnisse machen musste. Auch gelang es ihm nicht, die intensive politische Polarisierung in Washington D.C. zu überwinden. Am deutlichsten wurden die Grenzen seines Handlungsspielraums in der Außen- und Sicherheitspolitik, in der er zentrale Elemente der Antiterrorstrategie seines Vorgängers fortführte. Gemessen an einem weniger heroischen Maßstab transaktionaler, inkrementeller Führung, war Obama dennoch ein mutiger, lernfähiger und effektiver Präsident, der seine administrativen Instrumente und persönlichen Ressourcen zu nutzen wusste. Sein größter innenpolitischer Erfolg war die Überwindung der „Großen Rezession“; mit der Gesundheitsreform gelang ihm ein sozialpolitisches Jahrhundertwerk, das sein politisches Vermächtnis definieren wird. Der erste schwarze Präsident der USA war aufgrund seiner herausragenden rhetorischen Begabung auch ein inspirierender politischer Führer. Seine persönliche Integrität und sein moralisches Vorbild werden die Wertschätzung, die Obama in der Öffentlichkeit wie unter Politikwissenschaftlern genießt, in der Zukunft wahrscheinlich noch ansteigen lassen. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 397 – 422]
Braml, Josef: The Party Is Over: Zum Zustand der Parteien und des politischen Systems in den USA.
Politik wird in den USA nicht – wie in parlamentarischen Regierungssystem üblich – von den Parteien formuliert und gesteuert, sondern über „Themennetzwerke“ oder „Tendenzkoalitionen“ ausgehandelt, in denen gleichgesinnte Politiker, Wahlkampfmanager, Lobbyisten, Experten, Verwaltungseliten und Journalisten gemeinsam versuchen, ihre Ideen und Interessen durchzusetzen. Strukturelle Veränderungen, insbesondere Entscheidungen des Supreme Court zur Wahlkampffinanzierung, haben Parteien noch mehr geschwächt und diesen Politunternehmern erweiterte Möglichkeiten geboten. „Political Action Committees“ (PACs) und interessengeleitete (advokatische) Think Tanks perfektionieren nunmehr ähnlich wie Interessengruppen auch Lobbying und Graswurzelstrategien. Ihre klare politische Positionierung für weniger (Sozial-)Staat und Deregulierung beschert ihnen bessere Karten beim Fundraising. Denn die an Laissez-faire-Politik interessierten Geldgeber nehmen an, dass Think Tanks nicht nur direkt, sondern vor allem auch über die Medien indirekt Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können. Die ebenso kommerzialisierten und politisierten Medien tragen ihrerseits zur Polarisierung bei, die mittlerweile das politische System lähmt und seine Legitimation untergräbt. Anders als viele Beobachter nach dem Präsidentschaftswahlsieg Donald Trumps und der republikanischen „Partei“ bei den Kongresswahlen im November 2016 behauptet haben, wird der vermeintlich mächtigste Mann der Welt nicht „durchregieren“ und durch schnelle Erfolge die Wertschätzung der amerikanischen Demokratie verbessern können. [ZParl, 48. Jg. (2017), H. 2, S. 423 – 439]