Meyer, Holger und Ferdinand Müller-Rommel: Die niedersächsische Landtagswahl vom 15. Oktober 2017: „Vernunftheirat“ führt zu erster Großer Koalition nach 50 Jahren.
Die Landtagswahl hat erstmals seit 1967 die traditionelle Lagerbildung zwischen schwarz-gelb und rot-grün aufgebrochen und zur Bildung einer großen Koalition geführt. SPD und CDU erhielten zusammen 70,5 Prozent der Wählerstimmen und damit 105 von insgesamt 137 Mandaten im niedersächsischen Landtag. Die Wahlergebnisse der drei kleinen Parteien AfD FDP und Grüne lagen zwischen sechs und nahezu neun Prozent. Die Wahlbeteiligung ist erneut leicht gestiegen und liegt mit 63 Prozent über dem durchschnittlichen Ergebnis der letzten 15 Landtagswahlen in anderen Bundesländern seit 2013. Der vergleichsweise kurze Wahlkampf wurde vor allem durch den Fall „Twesten“ bestimmt, der zum Verlust der Regierungsmehrheit und zu vorzeitigen Neuwahlen führte. Inhaltliche Schwerpunktthemen lagen zudem eindeutig in landespolitischen Themenfeldern wie der Bildungspolitik oder der Inneren Sicherheit. Das Wahlverhalten nach sozio-demographischer Herkunft entspricht weitgehend den Erwartungen und stellt deshalb keine Überraschung dar. Von den insgesamt zehn Ministern werden jeweils fünf von der CDU und der SPD benannt. Den Ministerpräsidenten stellt die SPD als stärkste Partei im Landtag. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 3 – 22]
Schoen, Harald, Alexander Wuttke, Agatha Kratz und Maria Preißinger: Ein Umschwung in den letzten Wochen: Befunde einer mehrwelligen Wiederholungsbefragung zur niedersächsischen Landtagswahl 2017.
Die niedersächsische Landtagswahl im Oktober 2017 fand im Schatten der vorhergehenden Bundestagswahl statt. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Nähe beider Wahlgänge untersucht dieser Aufsatz die Entwicklung bundes- und landesbezogener Einstellungen im Wahlkampfverlauf sowie deren Einfluss auf das Wählerverhalten in Niedersachsen. Eine mehrwellige Wiederholungsbefragung von 1.346 niedersächsischen Wahlberechtigten, die im Rahmen der German Longitudinal Election Study (GLES) durchgeführt wurde, dient als Grundlage der Untersuchung. In quer- und längsschnittlichen Analysen wird gezeigt, dass eine bedeutende Minderheit der Befragten den Wahlentscheidungen auf der Landesebene ebenenspezifische Erwägungen zu Grunde legt. Landesbezogene Einstellungen waren einer von der Bundesebene weitgehend unabhängigen Wahlkampfdynamik unterworfen, die die Wahlabsichten des Elektorats beeinflusst zu haben scheinen. So konnte gerade die niedersächsische SPD die Popularität ihres Spitzenkandidaten in den letzten Wahlkampfwochen steigern und dadurch die CDU in einem Schlussspurt als stärkste Kraft ablösen. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 22 – 39]
Winkler, Jürgen R.: Die saarländische Landtagswahl vom 26. März 2017: Bestätigung der CDU-geführten Großen Koalition.
Die strukturellen Gegebenheiten und politischen Traditionen des Saarlandes haben die Wahl der CDU seit den 1950er Jahren stets begünstigt. Diesmal kam ihr zudem die positive Bewertung ihrer Regierungsarbeit zugute. Für die SPD und CDU ging es darum, als stärkste politische Kraft aus der Wahl hervorzugehen. Die regierende CDU konnte sich als stärkste politische Kraft behaupten. Die SPD blieb hinter den Erwartungen zurück und trat der zweiten Großen Koalition im Saarland unter der Führung von Annegret Kramp-Karrenbauer bei. Während die Linkspartei erneut einige Punkte verlor und die FDP wieder an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, wurden die Grünen und Piraten von den Wählern aus dem Landtag geworfen. Stattdessen gewann die AfD drei Mandate. An der Saar neigten vor allem Männer im mittleren Alter, Arbeiter und arbeitslose Wähler zur AfD. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 40 – 56]
Holtkamp, Lars und Benjamin Garske: Der Wahlerfolg von Kandidaten mit Migrationshintergrund in West- und Ostdeutschland.
Ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Der Anteil an Mandatsträgern mit Migrationshintergrund ist aber mit knapp fünf Prozent ungleich kleiner. Er kann nicht mit der gesellschaftlichen Entwicklung mithalten. Im Mittelpunkt unserer Analyse steht daher der Einfluss des Migrationshintergrundes von Kandidaturen zur Kommunalwahl auf ihre Wahlchancen. Methodisch bedienen wir uns hierfür der Berechnung des relativen Wahlerfolgs in Wahlsystemen mit Kumulieren und Panaschieren in 90 Kommunen. Es wird deutlich, dass sich der relative Wahlerfolg zwischen den Bundesländern gravierend unterscheidet. Die in der Literatur für den Stadtstaat Bremen häufig konstatierten positiven Effekte von Kumulieren und Panaschieren auf die Stimmen von Kandidaten mit Migrationshintergrund sind der Ausnahmefall. Kandidaturen in Ostdeutschland zeigen einen signifikant geringeren relativen Wahlerfolg als Kandidaturen in Westdeutschland. Dies kann als Indiz einer vergleichsweise stärker negativ diskriminierenden Politischen Kultur in Ostdeutschland verstanden werden. Kandidaten mit Migrationshintergrund werden zudem in Kleinstädten eher nach unten gewählt als in Großstädten. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 57 – 69]
Haußner, Stefan und Arndt Leininger: Die Erfolge der AfD und die Wahlbeteiligung: Gibt es einen Zusammenhang?
Seit die Alternative für Deutschland (AfD) erstmals zur Bundestagswahl 2013 antrat, nahm sie an allen darauffolgenden Landtagswahlen sowie der Europawahl 2014 teil und erzielte dabei teils beachtliche Erfolge. Gleichzeitig stieg die Wahlbeteiligung bei einigen dieser Wahlen deutlich an. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die AfD von der gestiegenen Wahlbeteiligung profitiert hat und sogar dazu beitrug, die Wahlbeteiligung zu steigern? Ganz allgemein gefragt, welche Konsequenzen hat das Aufkommen populistischer Parteien für das politische System? Die Analyse der Wahlergebnisse in Bundestags-, Landtags- und Europawahlen auf Landkreisebene zeigt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Wahlbeteiligung. Nur in Einzelfällen wie der Bundestagswahl 2017 und bei Landtagswahlen 2016 lässt sich eine moderate mobilisierende Wirkung der AfD feststellen. Vielmehr deuten die Ergebnisse auf eine verstärkte Polarisierung der politischen Beteiligung hin. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 69 – 90]
Schroeder, Wolfgang, Bernhard Weßels und Alexander Berzel: Die AfD in den Landtagen: Bipolarität als Struktur und Strategie – zwischen Parlaments- und „Bewegungs“-Orientierung.
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist, bevor sie 2017 in den Bundestag eingezogen ist, seit 2014 bereits in 13 Landtagen aktiv. In dieser Studie werden das Profil, die Präsenz der AfD-Fraktionen sowie der Umgang der anderen Parteien mit dem Parlamentsneuling in zehn Landtagen (August 2014 bis September 2016) untersucht. Empirische Basis sind neben veröffentlichten Materialien vor allem Experteninterviews mit verantwortlichen Personen aus den AfD- und anderen Fraktionen. Die AfD-Fraktionen der Landtage lassen sich zwei divergenten Richtungen zuordnen: einerseits Parlaments- und andererseits einer „Bewegungs“-orientierten Richtung. Ob strategisch so angelegt oder nicht – derzeit bestimmt diese Bipolarität sowohl den elektoralen Erfolg der AfD wie auch ihre Präsenz in den Parlamenten. Eine parlamentarische Professionalisierung steckt noch in den Anfängen; das Parlamentsplenum ist im Gegensatz zur Arbeitsebene der Parlamente, also den Ausschüssen, das Spielbein der AfD und dient als Plattform für die stark über soziale Medien verlaufende Präsentation für die Öffentlichkeit. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 91 – 110]
Patzelt, Werner J.: Pegida-Demonstranten und Deutschlands Demokratie.
Die Dresdner Pegida-Demonstrationen führten seit dem November 2014 in Deutschland zu hitzigen Debatten. Oft waren sie motiviert durch ernsthafte Sorgen über neue Herausforderungen für Deutschlands Demokratie durch das Neuaufkommen alter antidemokratischer Feinde. Wie aber dachten die „Pegidianer“ wirklich über Demokratie? Was alles prägte ihre Einschätzungen dessen, wie gut die Demokratie in Deutschland wirklich funktioniert? Und welche Unterschiede gab es bei alledem zwischen den Pegida-Demonstrationen und ihren Mitbürgern? Dieser Beitrag gibt ausführliche Antworten auf diese Fragen, und zwar auf der Grundlage aller verfügbarer Daten, darunter vier Studien des Verfassers. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 111 – 128]
Reuband, Karl-Heinz: Pegida im „Tal der Ahnungslosen“. Demokratievorstellungen der Bürger in Dresden, in Düsseldorf und unter Teilnehmern des Pegida-Protests.
Zu DDR-Zeit war es in Dresden nahezu unmöglich, das West-Fernsehen zu empfangen. Dies hat eine Reihe von Autoren zur Annahme veranlasst, undemokratische Werte hätten sich dort länger gehalten und die Entstehung von Pegida begünstigt. Auf der Basis repräsentativer Bevölkerungsumfragen in Dresden und Düsseldorf (1998, 2000) sowie einer Befragung von Pegida Teilnehmern (2015/16) wird untersucht, wie sehr diese Hypothese empirische Evidenz besitzt. Der Einfluss des Empfangs des West-Fernsehens auf das Verständnis von Demokratie erweist sich als schwach und die Unterschiede zwischen Dresden und Düsseldorf als graduell. Die Pegida-Teilnehmer weichen in ihrem Verständnis nur partiell davon ab. Der größte Unterschied besteht in der bei ihnen stärkeren Bejahung direkter Demokratie mittels Volksabstimmungen. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 129 – 147]
Klein, Markus: Mehr Demokratie, weniger Beteiligung? Die Zerstörung der lokalen Beteiligungskultur in Hessen während des „Jahrzehnts der Demokratisierungsnovellen“.
Bis Ende der 1980er Jahre lag die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen in Hessen relativ stabil bei knapp unter 80 Prozent. In den darauffolgenden Jahren ging sie um ungefähr 30 Prozentpunkte zurück. Mittlerweile hat sie sich auf einem Niveau von knapp unter 50 Prozent wieder stabilisiert. Der Rückgang der kommunalen Wahlbeteiligung vollzog sich schwerpunktmäßig während der 1990er Jahre. Diese sind als das „Jahrzehnt der Demokratisierungsnovellen“ bezeichnet worden, weil in dieser Zeit in den westdeutschen Bundesländern einige grundlegende Reformen der Kommunalverfassungen vorgenommen wurden. Es handelte sich dabei um die Einführung der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte, die Einführung des lokalen Bürgerentscheids sowie die Einführung der Verhältniswahl mit offenen Listen. Durch diese Maßnahmen sollte die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene gestärkt werden. Die empirischen Analysen des Beitrags zeigen aber, dass sie faktisch den Rückgang der Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen ausgelöst haben. Die Ursachen hierfür sind die aus diesen Reformen resultierende höhere demokratische Beteiligungsbelastung sowie die deutlich erhöhte Komplexität des Wahlsystems bei den Wahlen zu den Gemeinderäten und Stadtverordnetenversammlungen. [ZParl, 49. Jg. (2018), H. 1, S. 148 – 171]