Kolkmann, Michael: Sieg auf ganzer Linie für die Demokraten? Die Wahlen zum US-Kongress vom 3. November 2020.
Die Kongresswahlen vom 3. November 2020 haben Erfolge der Demokratischen Partei gezeitigt. Neben dem Gewinn des Weißen Hauses durch Joe Biden haben sie ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus knapp verteidigen können. Im Senat trugen die beiden Nachwahlen in Georgia zu Beginn des Jahres 2021 mit einem Doppelsieg der Demokraten dazu bei, dass beide Parteien auf je 50 Sitze kommen und bei Stimmengleichstand die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag gibt. Damit gibt es erstmals seit den ersten beiden Amtsjahren von Präsident Barack Obama ein „unified government“ der Demokraten in Washington DC. Die Wahl stand im Zeichen der Corona-Krise, die Sitzungsperiode des neuen Kongresses begann am 6. Januar 2021 mit dem Sturm auf das Kapitol sowie einem erneuten Impeachment-Verfahren gegen Präsident Donald Trump. Der neue Kongress ist mit Blick auf seine Zusammensetzung in vielerlei Hinsicht diverser als seine Vorgänger. Die Wiederwahlquote der Amtsinhaber war erneut beträchtlich. Eine spannende Frage bleibt, ob die zuletzt festzustellende Entwicklung einer „Parlamentarisierung“ des Kongresses auch unter den neuen Gegebenheiten des Demokratischen „unified governmment“ anhält. Die Zwischenwahlen im November 2022 werden in großem Teil davon abhängen, ob es Präsident Biden und seinen Demokraten im Kongress gelingt, in den nächsten anderthalb Jahren maßgebliche gesetzgeberische Errungenschaften zu produzieren. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 223 – 244]
Horst, Patrick: Die Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten 2020: Eine Rückkehr zur partei-elitengesteuerten Kandidatennominierung vor 2016?
Die Präsidentschaftsvorwahlen des Jahres 2016 galten als Beweis für die These, dass die Parteien die Kontrolle über die Nominierung ihrer Präsidentschaftsbewerber endgültig verloren hätten. Von den neuen Regeln des Auswahlprozesses würden die unkonventionellen, populistischen Kandidaten wie Trump oder Sanders profitieren. Die Vorwahlen der Demokraten 2020, hätten demgegenüber gezeigt, so eine konträre These, dass die Parteiinsider doch noch über die Macht verfügten, den Kandidaten ihrer Wahl durchzusetzen. Hier wird jedoch argumentiert, dass ein solcher Schluss voreilig wäre. Der Wettbewerb der Demokraten, der hier von Anfang bis Ende dokumentiert wird, offenbarte viele derselben Probleme, die vier Jahre zuvor auch die Republikaner heimsuchten. Es war allein zwei Ausnahmefaktoren zu verdanken, dass die Parteiinsider das Heft dann doch noch in die Hand nahmen: die existenziell empfundene Notwendigkeit, Trump zu schlagen, und die Unmöglichkeit, inmitten der Pandemie die Bevölkerung in großen Scharen zum Wahlgang zu zwingen. Hätte es diese Zwänge nicht gegeben, wäre Sanders als Sieger aus den Vorwahlen hervorgegangen. Damit bleibt aber auch die Reform der Vorwahlen auf der Tagesordnung, für die abschließend einige Vorschläge gemacht werden. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 245 – 263]
Kornelius, Bernhard: Die US-Präsidentschaftswahl vom 3. November 2020: Trumps Abwahl.
Am 3. November 2020 fand in den USA die 59. Präsidentschaftswahl statt. Vier Jahre nach seinem spektakulären Triumph wurde der Republikaner Donald Trump abgewählt – als elfter Präsident der US-Geschichte, der sich der Wiederwahl stellte. Flankiert von einer Mehrheit im Repräsentantenhaus und einem Patt im Senat haben die Demokraten mit Joe Biden in einem politischen und gesellschaftlich zutiefst gespaltenen Land das Weiße Haus zurückerobert. US-weit mit rund sieben Millionen Stimmen Vorsprung in der Popular Vote, aber im Electoral Collage – nach teilweise erneut äußerst knappen Rennen in den entscheidenden Bundesstaaten – mit einem ähnlich mäßigen Ergebnis wie 2016 Trump, verdankt der 46. Präsident der Vereinigten Staaten seinen Wahlsieg nur bedingt der eigenen Stärke. Lagerintern zwar mit mehr Zugkraft als die vorherige demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, war das Votum pro Biden in einem hyperpolarisierten Umfeld, bei stark gestiegener Wahlbeteiligung und sehr hohem Briefwahlanteil vielfach auch eine Anti-Trump-Wahl. Ausgelöst wurde der „Shift“ primär in den hochvolatilen Gruppen der politisch moderaten und parteilich ungebundenen Wähler, sowie von denjenigen US-Bürgern, die 2016 nicht gewählt hatten. Gleichzeitig war ein Abrücken von Trump die ganz große Ausnahme und gerade mit Blick auf die beiderseitig hochmobilisierten Kernwählergruppen haben sich die Fronten weiter verhärtet. Wie schon bei den letzten beiden Machtwechseln ist ein substanzielles Realignment im Elektorat ausgeblieben. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 264 – 288]
Adorf, Philipp: Die Republikanische Partei nach den Wahlen 2020: Nach oder inmitten der Trump-Ära?
Mit dem Ausscheiden Donald Trumps sieht sich die Republikanische Partei 2021 auf der Bundesebene der US-amerikanischen Politik auf allen Ebenen in der Minderheit – nachdem sie vier Jahre zuvor das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses kontrollierte. Welche Lehren bezüglich der zukünftigen politischen Positionierung boten die Wahlergebnisse in den nationalen Wahlen der Partei? Wie lässt es sich erklären, dass ein Präsident, dessen anti-demokratische Forderungen offen die Aufhebung des Wahlergebnisses anstrebten, trotzdem bei einer großen Mehrheit der Wählerschaft ein Maß an Popularität genießt, das ihn zum Favoriten der republikanischen Präsidentschaftskandidatur 2024 macht? Erklärungsansätze lassen sich in der Regierungsbilanz des 45. Präsidenten sowie der heutigen Zusammensetzung der republikanischen Wählerschaft finden, in der Trumps nativistischer Populismus sowie autokratische Präferenzen weitverbreitet sind. Nicht zuletzt die Standpunkte unter republikanischen Wählern führten dazu, dass zahlreiche republikanische Mandatsträger Trumps Lüge der „gestohlenen Wahl“ und seine demokratiefeindlichen Schritte unterstützten. Es ist zu befürchten, dass die Republikaner in zukünftigen Jahren eine noch größere Bedrohung für die Demokratie des Landes darstellen werden. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 289 – 313]
Siewert, Markus B. und Florian Böller: Building Back Better? Eine Bewertung der ersten hundert Tage der Präsidentschaft von Joseph R. Biden.
Die ersten hundert Tage der Präsidentschaft von Joseph R. Biden offenbarten eine Reihe von Kehrtwenden, etwa beim COVID-19-Krisenmanagement, beim Umweltschutz oder der Antidiskriminierungspolitik, mit der sich die neue Administration gezielt von der Vorgängerregierung abzugrenzen suchte. So setzt sich der Trend zur Pendelpräsidentschaft in den USA fort: Schwang das Pendel unter Trump weit nach rechts, bewegt es sich nun nach links. Die Analyse zeigt aber auch Kontinuitäten, zum Beispiel beim Einsatz präsidentieller Dekrete, in Bezug auf die außenpolitischen Interessen der USA oder hinsichtlich der Rücknahme progressiver Versprechen in der Einwanderungspolitik. Auch die parteipolitischen Auseinandersetzungen zeigen altbekannte Dynamiken. So erhielt das wichtigste Gesetz der ersten hundert Tage, das Stimulus-Paket, keine Unterstützung aus der Republikanischen Partei. Gleichzeitig traten immer wieder Spannungslinien innerhalb der Demokratischen Partei zutage, die mögliche Risse zwischen progressivem und moderatem Lager für die kommenden Jahre offenlegten, was den politischen Kurs der Präsidentschaft Bidens gerade angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse im Senat prägen könnte. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 314 – 336]
Krause, Joachim: Die transatlantischen Beziehungen nach den US-Wahlen vom November 2020.
After Joseph R. Biden became President of the United States, transatlantic relations have a good chance to improve considerably. This article asks how much this relationship will develop over the coming years, both in its security and its economic dimension. The transatlantic partnership has always been held together by the common interest of all sides in sticking to and in reforming a rules-based international order. Until 1990, this mainly meant the US security guarantee against Russia and the leading role of the US (together with other G7 nations) in maintaining a global trade and financial system. After the end of the Cold War, the degree of cohesion has become less, but with the re-emergence of a Russian military threat and the rise of China, transatlantic cooperation is more relevant than ever. However, there are two trends working against deeper cooperation: nationalism and the “Make America Great” ideology in the US, and the tendencies of European states – notably Germany – to avoid taking sides in great power competition and to pursue an independent and rather mercantilist policy. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 337 – 357]
Jäger, Martin: Zur Bundestagswahl 2021: Die Wahlzulassung von Parteien und ihr Reformbedarf.
Im organisatorischen Mittelpunkt der Vorbereitung der Bundestagswahl stehen der Bundeswahlleiter, der Bundeswahlausschuss und die Beteiligungsanzeige, die von Parteien eingereicht werden muss, die parlamentarisch bisher nicht vertreten sind. Der Aufsatz macht darauf aufmerksam, dass die Wahlvorbereitung auf ständiger Praxis beruht und es an Rechtssicherheit und Transparenz fehlt. Der Autor plädiert für eine gesetzliche Normierung, dass der Präsident des Statistischen Bundesamtes als Bundeswahlleiter zu ernennen ist, wie es bereits seit über 100 Jahren gängige Praxis ist. Nur so kann die Gefahr der politischen Einflussnahme durch jederzeitige Abberufung gebannt werden. Ebenso plädiert er für die Abschaffung des Parteienproporzes im Bundeswahlausschuss und eine Erhöhung der Mitgliederzahl, um fachlich geeignete Mitglieder, die Expertise hinsichtlich der interdisziplinären Entscheidung über die Wahlzulassung mitbringen, zu berücksichtigen. Zuletzt wird das verworrene Beteiligungsanzeigeverfahren kritisiert, welches unter anderem durch eine Muster-Beteiligungsanzeige an Transparenz, Klarheit und Rechtssicherheit gewinnen soll. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 358 – 372]
Gawehns, Florian: „A more perfect Union“: Zu möglichen Demokratiereformen in den Vereinigten Staaten.
Seit Längerem plagen Verschleißerscheinungen die amerikanische Demokratie. Die post-Trump-Ära beginnt deshalb mit Debatten um mögliche Demokratiereformen. Wie aussichtsreich sind derartige Vorhaben? Die hier diskutierten Vorschläge, die neben einem Wahlrechtsgesetz auch die Aufnahme neuer Bundesstaaten betreffen, sehen sich hartnäckigem Widerstand der Republikanischen Partei gegenüber. Für die Demokraten ist deshalb eine Reform der Geschäftsordnung des Senats die zentrale Herausforderung dieser Wahlperiode. Obwohl sich Präsident Biden offen für eine derartige Reform zeigt, ist derzeit fraglich, ob die Demokraten angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse die für ein progressives Reformprogramm nötige Einigkeit herbeiführen können. Aussichtsreicher sind Reformen, die sich auf der Ebene der Bundesstaaten umsetzen lassen. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 407 – 423]
Kannenberg, Oliver: Demokratie auf dem Abstellgleis? Eine Bestandsaufnahme des serbischen Parteiensystems nach der Parlamentswahl 2020.
Die serbische Parlamentswahl 2020 inmitten der Corona-Pandemie und eines Oppositionsboykotts erfuhr ungewohnt viel internationale Beachtung. Sie markiert den vorläufigen Tiefpunkt der demokratischen Entwicklung Serbiens nach dem Sturz des Autokraten Slobodan Milošević und gleichzeitig den Höhepunkt des Aufstiegs der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) unter Präsident Aleksandar Vučić. In den dazwischenliegenden zwanzig Jahren sahen sich die verschiedenen Regierungen mit zahlreichen innen- wie außenpolitischen Herausforderungen konfrontiert, die eine nachhaltige Demokratisierung von Staat, Parteien und Gesellschaft eingeschränkt haben. Angefangen bei der Aufstellung der Wahlbewerber über die Organisation und Kontrolle von Wahlen bis hin zur Fraktionsbildung kontrollieren omnipotente Partei-Potentaten die politische Willensbildung in Serbien. Die Erklärung für vermeintliche Paradoxien, wie das geringe Bevölkerungsvertrauen in politische Parteien bei gleichzeitig hohen Parteimitgliederzahlen, liegt in den engmaschigen Verbindungen zwischen staatlichen Institutionen, Unternehmen und den Regierungsparteien. Die Hoffnungen der Bevölkerung auf demokratische Veränderungen ruhen weniger auf den zerstrittenen Oppositionsparteien als auf sozialen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. [ZParl, 52. Jg. (2021), H. 2, S. 424 – 447]